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Neues Jahr - Neue Berichte
Mon 28.12.2009 - 15:29 von Robert
In Erwartung, dass das neue Jahr in wenigen Tagen beginnt, habe ich soeben die Berichte aus 2009 in eine Archiv-Datei verschoben. Die Links sind oben zu finden. Hier erscheinen also nun die Berichte aus 2010!
 
Auf zu neuen Ufern
Wed 6.1.2010 - 9:51 von Gisela*
Viel zu schnell vergehen die Wochen in Deutschland mit all den herzlichen Begegnungen mit Familie und Freunden, den liebevollen Einladungen, den Grünkohl- und Gänseessen, dem norddeutschen Wetter mit Schnee zu Weihnachten und, und, und ... Kaum haben wir die kulinarischen Highlights zum Weihnachtsfest verdaut, stolpern wir schon wieder in den Flieger nach Dubai, Kuala Lumpur und Langkawi. Die reine Flugzeit beträgt zwar nur 12 Stunden, aber mit all den Wartezeiten bei den Zwischenlandungen benötigen wir 26 Stunden von unserer Haustür bis zum Steg in der Rebak Marina, die wir am Abend des 27.12. endlich erreichen. Wir finden SILVERCURL wohlbehalten vor und stürzen uns unvermittelt in die Vorbereitung unserer Weiterreise.
Am 29.12. soll SILVERCURL für den Unterwasseranstrich an Land genommen werden. Auf der Fahrt zur Slipbox kommt es mal wieder, wie's kommen muss: The same procedure as every year. In Warteposition vor der Einfahrt zum Slip hält der Skipper das Schiff auf Position, fährt mal vorwärts, mal rückwärts und hält plötzlich in zügiger Fahrt auf einen der Schwimmstege zu, während ich im Bug stehend die Leinen vorbereite. Im letzten Moment bekomme ich das Vorstag zu fassen, da rumpeln wir auch schon mit dem Steuerbordbug gegen den Steg. Mit Hilfe der Steuerbordmaschine und zahlreicher Hände von Land gelangen wir in die Box des Travellifts. On the hard finden wir schnell die Ursache des Desasters: Der Bowdenzug der Backbordmaschine ist gebrochen und während der Skipper in dem Glauben, der Rückwärtsgang sei nicht richtig drin, noch mehr Gas gab, ging die Maschine mit voller Kraft vorwärts. Ergebnis ist eine ziemlich große Macke im Bug, die natürlich fachmännisch ausgebessert werden muss. Was wiederum neue Probleme auslöst. Zum einen hat der für Gelcoat-Arbeiten zuständige Jungunternehmer in der Marina so kurz vor dem Jahreswechsel offenbar wegen Reichtums die Arbeit nieder gelegt, zum anderen treibt uns die Frage nach der Beschaffung eines neuen Bowdenzugs um.
Schnell verabschieden wir uns von der Hoffnung, Silvester wieder im Wasser zu sein. Ebenso schnell machen wir im Marina-Office Druck wegen der Reparatur des Gelcoat-Schadens - mit dem Ausschleifen der Macke wird noch am Nachmittag begonnen -, und Fritz, unser freundlicher Wiener Nachbar, weiß, wo wir auf Langkawi Ersatz für den gebrochenen Bowdenzug bekommen.
Nach Beschaffung und Austausch des Bowdenzugs durch den Skipper - ich bin die Assistentin, ganz wie eine OP-Schwester bei ihrem Chirurgen - warten wir auf den Abschluss der Reparaturarbeiten am Rumpf und beschäftigen uns mit der Proviantbeschaffung. Während ich mich dem Schreiben von Einkaufslisten für Esswaren zuwende, ermittelt der Skipper den Bedarf an flüssiger, überwiegend alkoholhaltiger Nahrung. Schließlich können wir in den moslemischen Ländern keinen Nachschub kaufen, lässt er mich wissen. Außerdem gibt es hier alles noch zollfrei. Spätestens Ende April wollen wir das Mittelmeer erreicht haben, so dass wir für 110 Tage trinkbare Nahrung benötigen. So der Skipper. Beim täglichen Konsum von drei 0,33 l-Dosen Bier und einem Liter Wein (mich nicht eingerechnet) ermittelt er zutreffend einen Bedarf von 330 Dosen Bier (14 Paletten) und 22 Fünf-Liter-Paketen Wein. An dieser Stelle entweicht seinem Gesicht zunächst sämtliche Farbe, um sich danach in sorgenvolle Falten zu legen. Und zum ersten Mal geht er mit mir konform, wir hätten das Schiff angesichts des zu erwartenden Biernotstands doch lieber verkaufen sollen.
Silvester feiern wir mit ein paar alten und neuen Bekannten: AQUILA und CONTESSA liegen in der Rebak Marina. Außerdem finden sich Kirsten und Jojo von der SAPPHO ein. Vera und Norbert von der STURMVOGEL organisieren die Musik und eine fröhliche Silvesterfeier mit zahlreichen anderen deutschsprachigen Seglern nimmt ihren Lauf - zuerst im Harddock Café und zum Tanzen ziehen wir weiter ins Boardwalk.
Am 3. Januar findet SILVERCURL endlich wieder den Weg ins Wasser, am 4. verholen wir uns nach Telaga Harbour auf Langkawi. Hier müssen wir noch unsere Dieselvorräte auffüllen und die letzten Einkäufe tätigen und dann wollen wir uns auf den Weg machen nach Sri Lanka. 1.130 Meilen auf dem Indischen Ozean gen Westen.
 
Sri Lanka
Tue 19.1.2010 - 13:12 von Gisela*
Zwei Nächte verbringen wir noch in Telaga Harbour, einer hübschen, aufstrebenden Marina mit ein paar schönen Restaurants. Es gibt ein Abschiedsessen mit SAPPHO in der Tappas Bar, das leider in strömendem Regen endet - und die Zwei müssen noch mit ihrem Motorroller zurück nach Tengah Beach, um von dort an ihr vor Anker liegendes Schiff zu gelangen, das wiederum im Gewitter von Hund Max bewacht wird. Dann heißt es am Tag der Heiligen Drei Könige ein letztes Mal \'Selamat Tingal\' - Auf Wiedersehen - Malaysia. Voll beladen mit Wein, Bier, Proviant und Diesel verlassen wir am Nachmittag den Hafen. Ein paar Stunden vor uns läuft AQUILA aus der Rebak Marina aus. Zu ihr werden wir während der Überfahrt den Kontakt halten und unsere Positionen austauschen. Anfangs funktioniert das über UKW Funk, danach per Email oder Telefonat per Iridium-Telefon.
In der ersten Nacht setzen wir das Großsegel und bei wenig Wind läuft immer eine Maschine mit. Die ganze Nacht erhellen Wetterleuchten den Horizont, zahlreiche Fischerboote erfordern aufmerksamen Look out. Im Laufe der Nacht mischen sich Blitze und Donner unter harmlose Wetterleuchten und versetzen das ganze unendliche Universum in taghelles Licht - als hätte dort jemand den Lichtschalter umgelegt. Ein immer wieder faszinierendes Schauspiel! Gegen 5.00 Uhr muss ich den Skipper wecken - dunkle Wolken kündigen ein heftiges Gewitter an. Gerade noch rechtzeitig drehen wir zwei Reffs ins Großsegel, dann ziehen wolkenbruchartiger Regen und Böen mit einer Stärke von bis zu 30 kn über uns hinweg und wir machen immer noch mehr als 8 kn Fahrt.
Im Laufe des Vormittags nehmen wir besorgt zur Kenntnis, dass wir von einem Fischerboot verfolgt werden. Was mögen die von uns wollen? Auf unser Rufen über UKW Kanal 16 reagieren sie nicht. Beim Näherkommen wedeln sie uns mit einem Fisch entgegen, gleichzeitig signalisieren sie uns, dass sie Hunger haben und zeigen unablässig auf unsere zum Trocknen aufgehängten Regenjacken. Wir spenden eine Dose Dänische Butterkekse und eine Flasche Wasser. Von den Jacken können wir uns leider nicht trennen, die werden wir selbst noch brauchen. Aber glücklich über ihre Beute drehen die vier jungen Männer strahlend bei und nehmen ihre Fahrt in entgegen gesetzte Richtung wieder auf.
Beim Überwerfen der Wasserflasche zum Fischerboot erleidet der Skipper offenbar wegen einer falschen Bewegung Schmerzen im rechten Arm und im linken Bein. Außerdem hat er sich in der Nacht beim Reffen des Großsegels ein paar Brandblasen durch die ausrauschende Großschot zugezogen. In Erinnerung an meinen Kursus 'Medizin auf See' unter Zuhilfenahme des dazu gehörigen Handbuchs kommen wir zur dem Ergebnis, dass es sich bei den Verletzungen an Arm und Bein um Muskelfaserrisse handeln könnte, die mit Anlegen eines Druckverbandes und Ruhigstellung der betroffenen Gliedmaße - oder des Patienten? - zu behandeln sind. Damit kann man wohl nicht viel falsch machen und entsprechend wird der Skipper fachmännisch von mir versorgt. Nach ebenso sachgerechter Behandlung der Brandblasen sieht er aus wie ein frisch aus der Klinik entlassenes Unfallopfer.
Im übrigen beschäftigen wir uns mit dem Warten auf Wind. 2 bis 3 Bf von achtern reichen eben nicht aus, um SILVERCURL in Fahrt zu bringen und wir schaffen unter Zuhilfenahme einer Maschine nur Etmale von 120 bis 140 nm. Erst am Nachmittag des 4. Tages können wir die Maschine ausmachen und SILVERCURL zieht ihre Bahn mit 3 bis 5 Knoten unter einem Sternen übersäten Himmel und dem wachsamen Auge des Orions und dem Kreuz des Südens durch die Nacht gen Westen. Im weiteren Verlauf dreht der Wind nicht wie vorher gesagt auf NNE sondern auf einen klassischen NW. Was soll das jetzt wieder? Wir sollen doch NO-Monsun haben. Man kann sich auch auf nichts verlassen. Unseren Kurs auf Sri Lanka können wir schon lange nicht mehr halten, statt dessen werden wir wohl so nach 20 Tagen Madagaskar erreichen.
Zwei Tage hält dieser Wind an, so dass wir um mehr als 30 Meilen von unserer Ideallinie nach Süden abweichen müssen. Dann setzt sich endlich wieder ein schwacher nördlicher bis nordöstlicher Wind durch. Jetzt gleiten wir gemütlich über den Ozean unserem Ziel entgegen. Bis ich in der Nacht zu Mittwoch gegen 1.00 Uhr Bordzeit von einer heftigen Bö aus dem Nichtschlaf gerissen werde, nachdem ich mich schon eine Stunde erfolglos ums Einschlafen bemüht habe. Mit einem Satz stehe ich im Cockpit, wo der Skipper schon ganz hektisch mit den Schoten kämpft. In der Dunkelheit kurz vor Neumond war der aufziehende Squall nicht erkennbar. Umso unvermittelter treffen uns jetzt die Böen von bis zu 30 kn. Bei dem Versuch, das Vorsegel einzurollen, vertüddeln sich die Schoten ineinander. Bei dem nun folgenden Manöver zur Entwirrung der Leinen erfahren mein Nachthemd und ich eine unfreiwillige Wäsche auf dem Vorschiff. Wenige Minuten später ist der Spuk vorüber, nass bis auf die Knochen sortieren wir das Kuddelmuddel im Cockpit und nach Trockenlegung darf ich mich erneut meinen Einschlafbemühungen hingeben.
An unserem letzten Tag auf See dreht der Wind noch einmal richtig auf - und das auch noch aus der richtigen Richtung. 4 bis 6 Bf aus NE verhelfen uns zu einem halben Etmal von 91 nm. Gegen 18.00 Uhr meldet der Skipper: "Land in Sicht", nach 195 Stunden und 12 Minuten auf See. Beim Abendessen entdecken wir zahlreiche Wale in sicherer Entfernung vor unserem Bug, die durch hohe Wasserfontänen auf sich aufmerksam machen. Und auch die Delphine fühlen sich offenbar von den Wellen inspiriert, springen übermütig aus dem Wasser und schlagen Purzelbäume, um sich anschließend wieder in das hier eher warme Nass fallen zu lassen. Das Meer brodelt.
Wir bergen die Fock, drehen ein Reff ins Großsegel und lassen uns von den Wellen an der Südküste Sri Lankas entlang Richtung Galle treiben. Die Ansteuerungstonne und eine der Fahrwassertonnen sind beleuchtet. Die übrigen Seezeichen müssen wir mit dem Scheinwerfer suchen. Die Einfahrt entpuppt sich auch als schwierig, weil der Autopilot wegen zu starker seitlicher Strömung den Kurs nicht halten kann. Wir nehmen die Fahrwassertonnen in stockdunkler Nacht an der falschen, den Felsen zugewandten Seite und suchen uns einen Platz in der Bucht vor der Hafeneinfahrt, wo nach 1.183 nm, 8 Tagen und 16 Stunden der Anker fällt. Die Einfahrt in den Hafen von Galle ist nachts verboten, nachdem es 2006 einen Sprengstoffanschlag der Tamilen auf den Hafen gegeben hat. Unser Ankermanöver wird deshalb aufmerksam von einem Securityboot der Navy begleitet. Die Besatzung heißt uns herzlich willkommen - nicht ganz uneigennützig, wie wir feststellen müssen. Die Begrüßungsorgie findet erst nach Spende einer Schachtel Zigaretten ihr Ende. Aber das ist hier wohl so üblich, wie wir am folgenden Tag beim Einklarieren zur Kenntnis nehmen müssen.
 
Sri Lanka
Tue 26.1.2010 - 0:32 von Gisela*
Einklarieren kann man in Sri Lanka nur über einen Agenten. Unsere voraussichtliche Ankunft mit Schiffs- und Crewdaten haben wir bereits von unterwegs aufgegeben, so dass die Offiziellen schon über unser Kommen informiert sind. Vor Einfahrt in den Hafen von Galle müssen alle Schiffe von der Navy gecheckt werden - immer noch Nachwirkung eines Sprengstoffanschlags aus 2006. Bis mittags müssen wir an unserem Ankerplatz warten, nach Ankunft und Abfertigung eines Frachters sind sie an diesem Morgen vollkommen überfordert. Endlich erscheint eines der kleinen Boote der Navy, besetzt mit vier Leuten, von denen zwei an Bord kommen. Die Prüfung unserer Papiere ist schnell erledigt, ebenso schnell sind wir um vier Dosen Bier ärmer - schließlich müssen die Mitfahrer auch versorgt werden. Dann dürfen wir in den Hafen einfahren.
Eigentlich ist Galle ein Fischerei- und Gewerbehafen, wir Yachties sind hier offenbar nur geduldet. Für uns hat man einen kleinen Plastikponton ausgelegt, nicht breiter als 1,5 Meter, an dem höchstens sechs, sieben Schiffe an jeder Seite vor Buganker mit Heck am Ponton festmachen können. Die ein- und ausfahrenden Fischer- und Navybboote sorgen für heftigen, unangenehmen Schwell. Eine wackelige Angelegenheit. Das oben gezeigte Schild heißt uns in Galle willkommen (die Wellblechhütte ist natürlich nicht der Yacht-Registration-Point) und ein Mitarbeiter unseres Agenten kommt an Bord. Es gibt zahlreiche Formulare auszufüllen und dann warten wir auf die Mitarbeiter von Zoll und Immigration. Der Mann mittleren Alters mit strengem Blick und Goldrandbrille kommt vom Zoll und wirft einen Blick auf unsere Zollanmeldung. Sein Interesse an unseren Alkoholvorräten beschränkt sich allerdings ausschließlich auf eine (volle) Flasche Rum, die blitzschnell den Weg in seine Aktentasche findet und nach einer Minute ist er wieder verschwunden. Die mitgeführte Aktentasche dient hier also nicht der Aufbewahrung von Akten, sondern wird eher zweckentfremdet für den Abtransport von "Schmiermitteln" verwendet. Sollte also besser Spendenbeutel oder Beutetasche heißen. Oder noch besser: Schmierbüttel.
Damit aber noch nicht genug geschmiert. Der Skipper muss noch ins Immigrationoffice und zur Hafenbehörde, wo wir einen Passierschein bekommen sollen, der uns den Weg aus dem Hafengelände heraus am Checkpoint vorbei erschließt. Zunächst verweigert uns der Mann von der Einwanderungsbehörde die notwendigen Stempel in den Pässen. Wir seien nur in "Transit" und dürften das Hafengelände daher nicht verlassen. Diesen unglücklichen und höchst bedauerlichen Umstand könne er leider nur gegen Spende einer Flasche Whiskey aus der Welt schaffen. Unter Zusicherung des Skippers, er könne sich später eine Flasche Schnaps abholen, stempelt er schon mal unsere Pässe und nach Feierabend kommt er über den wackeligen Ponton gewackelt, um sie sich abzuholen. Leider haben wir nur noch eine zu einem Viertel gefüllt Flasche Rum.
Noch während wir mit dem Agenten und unseren Einreiseformalitäten beschäftigt sind, erscheint Joseph auf dem Ponton, der seine Dienste als Oranisator von Touren, Tuctuc-Fahrten, Wäschereiservice und allerlei mehr anbietet. Eine Telefon-SIM-Karte hat er gleich dabei, damit wir ihn bei Bedarf jederzeit anrufen können. Und gleich am Abend nehmen wir seine Dienste in Anspruch und lassen uns in das nur drei Kilometer entfernte Unawatuna fahren, einem kleinen, direkt am Strand gelegenen Badeort. Hier suchen wir das "Guesthouse Langeoog" auf, dessen Manager Jajantha für Hilfestellung beim Einchecken parat steht, wenn wir irgendwelche Schwierigkeiten haben. Hier treffen wir auch Gerd, den Besitzer des "Guesthouse Langeoog", und Emmi - alles Freunde von unserem Freund Jojo, der im vergangenen Jahr die eine oder andere Etappe mit der "ATAIR" gesegelt ist. Wir werden sehr herzlich von den Dreien aufgenommen, das Essen im Restaurant ist hervorragend und üppig und wir verbringen einen unterhaltsamen Abend in dem Guesthouse.
Hauptverkehrsmittel in Sri Lanka sind die uns schon aus Bangkok bekannten dreirädrigen, motorisierten Tuctucs, die in sämtlichen Farben das Straßenbild Galles bestimmen. Diese Gefährte, auf denen vorne der Fahrer wie auf einem Moped sitzt, bieten auf der Rückbank zwei, manchmal auch drei Fahrgästen Platz. Offene Seitenteile der Kabine erübrigen eine Klimaanlage und bei Regen werden die Öffnungen mit einer zusätzlichen Plane verschlossen. Alles in allem eine bequeme Fortbewegungsmöglichkeit. Bei Dunkelheit bleibt es offenbar dem Fahrer überlassen, das Licht anzuschalten. Jedenfalls begegnen uns bei einem Ausflug am Abend zahllose Fahrzeuge ohne Licht. Aber das scheint offensichtlich nur uns zu stören.
Für die Fahrt in die Innenstadt von Galle bedienen wir uns eines solchen Tuctucs und landen mitten im Zentrum am zentralen Busbahnhof. Der bis vor wenigen Monaten andauernde Bürgerkrieg und der Tsunami in 2004, der hier an der Südküste massive Schäden angerichtet hat, haben nicht unerhebliche Spuren hinterlassen. Am Busbahnhof herrscht hektisches Treiben. Menschen, Motorräder, Tuctucs, Autos und überfüllte Busse teilen sich die ebenso überfüllte Straße. Selbst Kühe mischen sich unter dieses Durcheinander und springen aufgeschreckt zur Seite, wenn sie von einem Auto aus dem Weg gehupt werden. Im South Ceylon Restaurant essen wir zu Mittag für umgerechnet 5 Euro incl. Getränken. Wir spazieren durch das Fort, die von einer Stadtmauer umgebene Altstadt von Galle.
Schon im 17. Jahrhundert haben die Holländer mit dem Bau des Forts begonnen, in dem heute rund 400 Häuser, Kirchen, Tempel und Moscheen stehen, viele Gebäude sind im Kolonialstil errichtet. Hier fühlt man sich wirklich zurück versetzt in vergangene Jahrhunderte. Wir genießen den Blick von der Fortmauer auf das Meer und lassen den Nachmittag ausklingen bei einem Cappuccino im Galle Fort Hotel, das sich in dem Gebäude eines niederländischen Kaufmanns aus dem 17. Jahrhundert befindet. Die bis ins Detail perfektionierte Einrichtung und die musikalische Untermalung versetzen uns leicht in die alte Kolonialzeit zurück.
Gern würden wir einen mehrtägigen Ausflug ins Zentrum der Insel und in die Berge unternehmen. Leider ist die Liegeplatzsituation im Hafen so schlecht, dass wir SILVERCURL nicht mehrere Tage unbeaufsichtigt dort liegen lassen mögen. Für Sonntag organisiert Joseph uns daher nur eine Tagestour entlang der Südküste Sri Lankas bis Tangalla. Wir erklimmen die 222 Stufen des Leuchtturms von Dondra, dem südlichsten Punkt Sri Lankas , der uns bei unserer Ankunft auf den richtigen Weg geführt hat. Der Blick von der Aussichtsplattform ist wirklich atemberaubend. In Mulkirigala besuchen wir den Felsentempel, dessen Höhlen in dem riesigen Felsen über 343 Stufen zu erreichen sind. Belohnt werden wir wieder mit einem phantastischen Blick über die Umgebung.
In den letzten beiden Tagen in Galle gibt es viel zu tun. Ölwechsel an beiden Maschinen, Einkaufen, Besuch des Internetcafés und Tanken. Eine Zapfsäule gibt es hier nicht. Der Sprit wird in großen Fässern an den Ponton gefahren und dann mit Kanistern zum Schiff gebracht und umgefüllt. Das alles bei tropischen 32° C. Todmüde falle ich abends in die Koje und Mittwoch Mittag verlassen wir Sri Lanka mit dem Ziel Uligam, eines der nördlichen Atolle der Malediven.
 
Sri Lanka bis Salalah
Mon 8.2.2010 - 16:56 von Gisela*
Mittwoch Mittag verlassen wir also Galle. Zuerst haben wir Vorhersage gemäß Keinwind, überwiegend von vorn und müssen motoren, im Laufe des Abends kommt der Wind dann zuerst aus N mit 3 bis 4 Bf, später dreht er weiter nach NE und bläst ab Mitternacht mit 25 kn, 6 bf. Mit zwei Reffs im Groß- und drei im Vorsegel laufen wir immer noch 8 bis 9 Knoten. Zwei bis drei Meter hohe Wellen schieben sich unter SILVERCURL hindurch, die eine oder andere findet auch den Weg übers Deck, um gegen den Aufbau und ins Cockpit zu schlagen. Es folgt wieder die Nummer mit der unfreiwilligen Dusche, dieses Mal mit Salzwasser. Wieder trifft es mich - und das ganz, ganz ungünstig. Eine dieser Wellen sucht nämlich ganz zielstrebig die nur einen winzigen Spalt geöffnete Luke über unserer Koje, um sich kurzerhand nicht nur über mein Nachthemd und mir, sondern über die gesamte Koje zu ergießen. Erstaunt nehme ich zur Kenntnis, wie viel Wasser in so kurzer Zeit durch eine so kleine Öffnung gelangen kann. Aber was soll\'s? Segeln ist schließlich ein Wassersport, wie wir alle wissen. - Hatte ich jetzt gerade fast vergessen. Unser Törn zu den Malediven beginnt also ungemütlich. SILVERCURL wird von den Wellen so durchgeschüttelt, dass wir uns eher fühlen wir auf einem Rodeo-Ritt als auf einem Segelschiff.
Im Laufe des zweiten Tages lässt der Wind allmählich nach. Damit einher geht auch die Beruhigung der See. Außerdem dreht der Wind immer mehr auf E und kommt damit achterlicher. Bei Wachwechsel um 23.00 Uhr können wir das Großsegel ausreffen, die Nacht ist stressfrei und entspannt. Morgens setzen wir den Spinnaker bei 4 Bf von achtern, nachmittags schläft der Wind wieder ein und wir müssen die letzten 16 Stunden bis Uligamo motoren. Unser Anker fällt am 23.1. morgens um 7.20 Uhr nach 444 nm vor dieser sicher zu den schönsten Ankerplätzen der Welt gehörenden Trauminsel im Indischen Ozean (siehe Foto).
Nicht übertrieben, 6 (in Worten: sechs) Offizielle gleichzeitig entern SILVERCURL nach unserer Ankunft. Das auf dieser Miniinsel, die auf dem Übersegler als nicht größer als ein Stecknadelkopf auszumachen ist. Wie selbstverständlich lassen sie sich unaufgefordert im Salon nieder und verfallen unverzüglich in bürokratische Betriebsamkeit. Immigration, Customs, Health, Port Authority, für jeden haben wir einen manchmal auch mehrseitigen Satz Formulare auszufüllen, die vom Skipper unterzeichnet und mit SILVERCURL-Stempeln versehen zusammen mit vier Exemplaren der Crewliste in die unterschiedlichen Aktentaschen wandern. Einen Satz der fürs Ausklarieren zuständigen Formulare lassen sie gleich da. Es muss eben alles seine Ordnung haben, auch auf Uligamo, oder Uligan, wie die Einheimischen sagen. Und das alles ohne Schmiermittel.
So vierzehn weitere Yachten aller Herren Länder liegen hier vor Anker, unter anderem die PAZIFIC STAR mit Julia und Horst. Wie freuen wir uns, die Beiden wieder zu sehen! Erinnerungen an Palmerston und Tonga werden wach. Die Begrüßung fällt leider nur kurz aus, die Zwei haben schon ausklariert und sind mit zwei weiteren Yachten auf dem Sprung in den Oman. Verschieben wir die Party eben auf Salalah. Ebenso herzlich werden wir von der BLUE PEARL begrüßt mit Carola und Bobby an Bord, den Michael Schumachers der Weltmeere. Sie sind erst im Sommer 2008 in der Ostsee gestartet, im Herbst mit der ARC über den Atlantik, 2009 durch den Pazifik und sie wollen so schnell wie möglich wieder ins Mittelmeer. Respekt, Respekt! Wir verbringen ein paar unterhaltsame Abende mit ihnen - Carolas in Rum eingelegte Ananas, aufgefüllt mit Kokosmilch ist nicht nur ein Hit, sondern auch ein ziemlicher Beschleuniger. Nicht viel mehr als ein Glas und man entgleitet ganz behaglich ins Reich der Träume.
Wer mehr als drei Tage auf Uligamo bleiben möchte, benötigt zum Einklarieren einen Agenten. Der hat sein Office, in dem offenbar ein Großteil der männlichen Inselbewohner beschäftigt ist, in unmittelbarer Nähe zur Mole. Wir sind mit dem Dinghi noch gar nicht richtig fest, da steht er schon vor uns und für alle möglichen Auskünfte zur Verfügung. Ein Merkblatt informiert uns über alle angebotenen Dienstleistungen wie Wäscheservice, Anlieferung von Wasser und Diesel, Organisation von Barbecues am Strand, Dinner mit den Inselbewohnern, Ausflüge zu anderen Inseln und, und, und. Wir dürfen einen Blick in die Referenzenakte werfen, in der, fein säuberlich durch Klarsichthüllen geschützt, frühere Besucher dieses Paradieses mit hübschen Fotos und herzlichen Worten für die Gastfreundschaft der Einheimischen danken. Unter den aufmerksamen Blicken zahlreicher interessierter junger Männer des Ortes wird schnell ein Internet-Stick auf meinem mitgebrachten Laptop installiert und schon haben wir am Ende der Welt wieder Verbindung zum Rest der Welt.
Diese Insel ist wirklich ein kleines Paradies. Weißer Sand, Palmen, in allen Blau- und Türkistönen schimmerndes, glasklares Wasser mit den schönsten Korallen unter strahlender Sonne am blitzblauen Himmel. Wie im Bilderbuch. Kleine, einfache Steinhütten stehen an den unbefestigten Sandwegen des Dorfes. Vor den Häusern sind jeweils mehrere feste Liegestühle aus einem Holzgestell mit Netzen errichtet, in denen sich die Bewohner, immer schön nach Männlein und Weiblein getrennt, zum Klönschnack treffen. Es gibt eine kleine, sehr gepflegte Schule und jede Behörde hat ihr eigenes kleines Bürogebäude.
Der Diesel kommt aus einem Schlauch direkt aus der Wand des Büros unseres Agenten. Und auch einer der kleinen "Supermärkte" des Dorfes wird von dem Agenten betrieben. Der Laden ist ungefähr 12 Quadratmeter groß, ausgestattet mir Holzregalen an den Wänden, einem Getränkekühlschrank und einem Ladentisch. Die Tiefkühltruhe steht draußen im Hof. Gleich nach Ankunft des Versorgungsschiffs strömen die Yachties an Land, um wie die Heuschrecken über das frische Obst und Gemüse herzufallen, das in Kartons verpackt nur noch auf dem Boden des Shops Platz findet. Äpfel, Apfelsinen, Ananas, Bananen, Papayas, Kartoffeln, Zwiebeln, Tomaten, Kohl, Gurken - alles ganz frisch - wandert in meinen Einkaufskorb. Ebenso ein tief gekühltes Hähnchen und Bratwürste. Während die Bordfrauen dicht gedrängt auf ihre Abfertigung an der Kasse warten, machen es sich die Männer in den Liegestühlen bequem. Dann tippert Ismat ein paar Zahlen in seinen kleinen Taschenrechner und schon bin ich nach Abdrücken einiger Dollars entlassen.
Die Frauen sind eher zurückhaltend und scheu. Nur die Jungen erwidern gelegentlich einen Gruß oder ein Lächeln. Und während wir vor dem Office des Agenten an extra für uns aufgestellten Tischen und Stühlen sitzen, suchen die jungen Männer immer wieder das Gespräch mit uns Besuchern. Immer wieder kann man aus ihren Schilderungen heraus hören, dass sie sich langweilen in ihrem Paradies und das Fernsehen macht sie neugierig auf alles, was sie ihrer Meinung nach in der großen weiten Welt verpassen. Aber ein Flugticket in ein beispielsweise Europäisches Land oder nach Australien ist für sie unbezahlbar, lassen sie uns betrübt wissen.
Innerhalb der zulässigen 72 Stunden klarieren wir wieder aus und verlassen diesen zauberhaften Ankerplatz am Dienstag, den 26. Januar mit dem Ziel Salalah im Oman. 1.255 nm liegen vor uns. Die tatsächlich zu segelnde Strecke ist um ein paar Meilen länger, weil wir wegen besserer Windverhältnisse und zwecks weiträumiger Umfahrung der Somalischen Küste zunächst auf nördlicheren Kurs gehen. Während der 9 Tage und 6 Stunden dauernden Etappe können wir bei einer Windstärke von 3 bis 5 Bf überwiegend segeln und erreichen so Etmale von 129 bis 173 nm. Getrübt wird dieser Segelspaß nur durch ein paar technische Störungen an den Maschinen: Ein beschädigtes Kabel in der Bb-Maschine löst akustischen und visuellen Alarm am Kontrollpaneel des Motors aus. Der Skipper kann die Ursache zwar schnell beheben, dafür verweigert der Drehzahlenmesser am nächsten Tag seine Anzeige. Unter der StB-Maschine entdecken wir Süßwasser, offenbar aus einer Undichtigkeit am Boiler. Stellen wir uns schon mal darauf ein, zukünftig nur noch kalt zu duschen. Die gute Nachricht ist, dass der Skipper es endlich geschafft hat, die Notausstiegsluke in der Bb-Koje abzudichten. Während wir anfangs im 30-Minuten-Takt das eingedrungene Wasser lenzen mussten, ist sie jetzt knorztrocken. Die letzten beiden Tage der Überfahrt stellen unsere Geduld allerdings auf eine starke Probe. Bei kaum vorhandenem Wind kommt uns eine Strömung von bis zu 3 kn entgegen, wir bewegen uns nur noch im Schneckentempo mit einer Geschwindigkeit von 3 bis 4 kn über Grund vorwärts. Um unser Ziel wenigsten vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen, steuern wir am Tag unserer Ankunft mit Hilfe beider Maschinen auf Salalah zu.
 
Salalah
Wed 17.2.2010 - 16:15 von Gisela*
Wir erreichen den Hafen von Salalah im Oman am Nachmittag des 4. Februars nach 9 Tagen und 6 Stunden auf See. Was uns erwartet ist ein riesiger Containerhafen, dessen zahlreiche Kräne uns schon viele Meilen vor dem Eintreffen entgegen winken. Nur wenige Yachten liegen in dem kleinen für Sportschiffe vorgesehenen Becken vor Anker und so unwirtlich, steinig und sandig die Landschaft und die Umgebung des Hafens ist, so freundlich werden wir dort empfangen. Mit Hilfe von Marc, einem neuseeländischen Segler, und Mohammed, unserem Agenten, erledigen wir schnell die fürs Einklarieren notwendigen Formalitäten, bekommen unsere Visa in den Pass gestempelt und schon dürfen wir das Hafengelände verlassen. Bis nach Salalah sind es allerdings 22 km und so fährt uns Mohammed zuerst zur ATM Mäusemaschine und dann in den Oasis Club, einem Restaurant 2,5 km vom Hafen entfernt, wo wir denn auch auf Julia und Horst von der PACIFIC STAR treffen. Die Wiedersehens-Party kann beginnen!
Und dann ist wieder Arbeit angesagt. Meine nächtlicher Kontakt mit der Markierungsboje eines Fischernetzes auf dem Weg nach Salalah scheint nicht ohne Folgen geblieben zu sein. Der Backbordmotor ist extrem laut und löst nicht unerhebliche Vibrationen aus. Und das verursacht ein demolierter Propeller und eine Fischerleine aus Plastik, die sich um den Saildrive gewickelt hat, wie der Skipper bei näherer Inspektion schnell feststellt. Marc von der SEA LIFE aus Sidney verfügt über soviel Taucherfahrung, dass er sich den Austausch des Propellers im Wasser zutraut. Nach Einholung der erforderlichen Genehmigung für einen Tauchgang im Hafen durch die Port Control schreitet er zur Tat, muss aber leider feststellen, dass die seit drei Jahren nicht benutzte Tauchausrüstung des Skippers nicht richtig funktioniert. Zwei Anläufe sind erforderlich, bis das Equipment durch Mithilfe der im HILTON Hotel befindliche Tauchschule einsatzfähig ist, und nach Einholung einer zweiten Genehmigung für deren Einsatz erfüllt Marc seinen Job perfekt und alles ist wieder im Lot.
Außerdem ist der Drehzahlenmesser der Bb-Maschine ausgefallen. Wir bestellen einen Yanmar-Mechaniker, auch ein Mohammed, der einen ziemlich qualifizierten Eindruck macht und sowohl den Fehler am Drehzahlenmesser als auch eine Leckage an der StB-Maschinen blitzschnell und preiswert in Ordnung bringt.
Neben den Seglern liegen teilweise bis zu acht Fischerboote aus Bangladesch an der Kaimauer. Die jungen Männer reparieren hier ihre Boote und Netze und leben tagein, tagaus auf ihren Schiffen. Weil sie keine Visa bekommen, dürfen sie das Hafengelände nicht verlassen und sind für jede Abwechselung dankbar. Ständig ist einer von ihnen zur Stelle, wenn wir mit dem Dinghi am Kai anlegen, um mit Taschen oder Kanistern mühevoll über Eisenleitern an Land zu gelangen. Ihren täglichen Nahrungsbedarf holen sie sich aus dem schmutzigen Hafenbecken. Mit Hilfe eines Siebes fangen sie sich am Slipway kleine Fische. Sensationell aber sind die Toiletten an Bord der Fischerboote. Das sind nämlich runde Bottiche, die am Heck des Schiffes angebracht sind und aus denen der Oberkörper des jeweiligen Benutzers auch in "Verrichtungsstellung" noch hervor lugt. Und während er im Gespräch mit seinen Kollegen seine Notdurft verrichtet, pladdert das Ergebnis einer geregelten Darmtätigkeit vor den Augen der frühstückenden Segler zwei Meter tiefer ins Hafenwasser. Guten Appetit!
Auf der anderen Seite des Beckens finden sich in regelmäßigen Abständen Boote aus Somalia ein. Die bringen allerdings keine Fische, dafür aber Ziegen und Rinder in den Oman. Viehtransporter um Viehtransporter wartet an der Mole um die tierische Fracht aufzunehmen. Paarweise werden die Kühe mit Hilfe von Gurten angehoben und an die richtige Position gebracht, während die Ziegen mit einem herzhaften Tritt von Bord auf den LKW befördert werden. Problematisch wird die Sache für uns erst nachdem der Wind dreht. Dann kommen wir nämlich in den Genuss ländlicher Düfte in Form von Ziegengestank, der nächtens völlig ungeniert durch die geöffneten Luken bis zu unseren Nasen vordringt.
Die Straße nach Salalah ist gut ausgebaut, links und rechts davon allerdings Wüste, auf der gelegentlich Rinder und Kamele grasen - oder wie man das nennt, wenn gar kein Gras, sonder nur Gestrüpp vorhanden ist. Als Transportmittel werden die Kamele heute eher weniger verwendet. Sie dienen als Fleisch- und auch Milchlieferanten, wie wir erfahren. Aus manchen machen sie auch Zigaretten - die kommen dann weltweit als "CAMEL" mit und ohne Filter auf den Markt ...
Die Einkaufsmöglichkeiten in Salalah sind gut. Es gibt zwei gut sortierte Supermärkte europäischen Standards und einen Obst-, Gemüse-, Fleisch- und Fischmarkt. Während das Obst- und Gemüseangebot verlockend und die Fische mal mehr mal weniger appetitlich präsentiert werden, wird einem beim Anblick des Fleisches wirklich übel. Die abgetrennten Rinder- und Ziegenköpfe liegen, wohl zum Zeichen der Frische des Fleisches, in den Auslagen. Richtige Fleischstücke von definierbarer Herkunft sieht man überhaupt nicht. Alles, was auf Pappdeckeln zum Verkauf angeboten wird, sieht aus wie zerschnippelte Innereien, Fett und Sehnen. Das sieht so eklig aus, dass ich es nicht mal an meinen nicht vorhandenen Hund verfüttern würde. Jedenfalls kaufen wir unser Fleisch lieber im Supermarkt.
Mit PAZIFIC STAR unternehmen wir einen kleinen Ausflug in die Berge östlich von Salalah. Hier im Dhofar-Gebirge wird seit dem 5. Jh. v.Chr. Weihrauch gehandelt. In Dhofar geerntet, gelangte der Weihrauch per Schiff nach Jemen, von wo die Karawanen auf der Weihrauchstraße nach Norden starteten. Der Weihrauchpark des Wadi Dawqah nördlich von Salalah zählt wegen der großen Menge der hier wachsenden Weihrauchbäume zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wir entscheiden uns aber für den Weg entlang der Küste nach Taqah, in dessen Zentrum es eine kleine Burg zu besichtigen gibt, die mit Gegenständen aus Indien, China und dem Jemen eingerichtet ist. Danach besuchen wir das Wadi Darbat (ein Wadi ist ein ausgetrocknetes Flussbett), in dem viele Jebalis (Bergbewohner) leben, die auf den satten Grünflächen ihre Kamel- und Rinderherden grasen lassen. Am Ende des Wadis treffen wir auf einen lang gezogenen See, der auch nach dem Monsun nicht austrocknet und nicht nur Menschen und Tiere mit ausreichend Wasser versorgt, sondern auch für ausreichende Vegetation sorgt. Zurück in Salalah besuchen wir den alten Markt, wo der Skipper sich mit landestypischer Kleidung, der Dishdasha (einem hellen, bis an die Knöchel reichendes Gewand), einem Massaar (Tuch für den Kopf) und eine bestickte Kumma (Kappe) ausstattet. Der Abend klingt aus im "Bin Atique", dem einzigen Restaurant Salalahs mit landestypischer Küche und Einrichtung. Letzteres bedeutet, dass man ohne Tisch auf am Boden liegenden Kissen sitzt. Wir entscheiden uns für den einzigen vorhandenen Tisch, aber das Essen ist nur mäßig und verlangt nicht nach einer Wiederholung.
Inzwischen hat sich das kleine Hafenbecken schon ziemlich gefüllt. Die Yachten liegen an Bug- und Heckanker oder Landleine, damit es bei Änderung der Wind- oder Strömungsverhältnisse nicht zu unerwünschten Schiffsbewegungen und Kollisionen kommen kann. Mohammed ist von früh bis spät mit dem Einklarieren der ankommenden Crews, mit dem Befüllen und Anliefern von Dieselkanistern, Gasflaschen und allen anderen Serviceleistungen beschäftigt. Währenddessen findet unter den Yachties ein angeregter Austausch von Tourplanungen im Roten Meer und besonders von klugen Ratschlägen statt.
Auch unter den deutschen Schiffen findet eine rege Kommunikation statt. Nach zweiwöchiger Überfahrt von Cochin/Indien in überwiegender Flaute ist inzwischen auch die AQUILA angekommen. Wir füllen die Wartezeit bis zum Abfahrttermin nach Aden mit unterhaltsamen Kaffeeklatschtreffen und abendlichen Beisammensein auf SILVERCURL. Ich erfahre einen meisterlichen Haarschnitt durch Carola von BLUE PEARL auf einem Poller an der Mole. Und der Skipper trägt durch eine elegante Rückwärtsrolle vom Dinghi zur allgemeinen Erheiterung bei. Und das kommt so: Er manövriert BABYCURL ganz leger im Boot stehend zwischen den ankernden Yachten hindurch, gibt etwas mehr Gas als nötig, der Bug hebt sich, er verliert das Gleichgewicht und findet sich unvermittelt im Wasser wieder, während BABYCURL ganz gemütlich weiter tuckert. Geistesgegenwärtig rettet der Skipper seine Brille vor dem Untergang und findet Asyl an der Badeleiter der in unmittelbarer Nähe befindlichen BLUE PEARL. Horst von PACIFIC STAR sammelt im Vorbeifahren BABYCURL ein, die in der Zwischenzeit eine Runde um AQUILA gedreht hat und Seemann und Boot sind wieder vereint.
Montag lassen wir uns zusammen mit AQUILA auf einen Ausflug in die Wüste zum "Leeren Viertel" ein, der größten Sandwüste der Welt. Auf dem 220 km langen Weg dorthin überqueren wir das Dhofar-Gebirge, wo wir auf den oben schon erwähnten Weihrauchpark des Wadi Dawqah stoßen. Wir folgen weiter der Straße nach Muscat, Omans Hauptstadt, und biegen 12 km hinter Thumrait ab auf eine Piste, die uns nach Shisr führt, einer kleinen Oase, die einst ein wichtiger Karawanenrastplatz war. 4000 Jahre ist die in der Bibel und im Koran erwähnte Stadt mit dem damaligen Namen Ubar alt, wurde aber erst 1992 mit Hilfe modernster Satellitentechnologie entdeckt und somit zum Tummelplatz der Archäologen.
Und dann geht es wirklich ab in die Wüste. Auf etwas, was wohl nicht mal mehr als Piste zu bezeichnen ist, fahren wir etwa 30 km an den Rand dieser einzigartigen Dünenlandschaft. Die Bewältigung dieser Sandstraße erfordert wirklich alles fahrtechnische Können unseres Guides. Mit viel Schwung fährt er auf eine Düne und wendet das Fahrzeug auf dem Punkt, um zum Anfahren wieder talwärts zu stehen. Dann stehen wieder mitten in den atemberaubend hohen Dünen, so weit das Auge reicht, nichts als Sand. Zum Abschluss des Tages kommen wir in den Genuss eines unglaublichen Sonnenuntergangs über der Wüste und in der Dunkelheit erreichen wir wieder Salalah. An dieser Stelle breche ich meinen Bericht über den Oman ab. Wir stehen in den Startlöchern für unsere Weiterreise nach Aden. 25 Yachten haben sich für den Konvoi zusammen gefunden. Heute Nachmittag ist im Oasis Manöverbesprechung und morgen früh soll es los gehen. Tom von der KATANNE, ein Engländer mit Navy-Hintergrund, hat alles generalstabsmäßig geplant. Auf Handzetteln wurden die Formationen der einzelnen Gruppen verteilt, ebenso unsere Decknamen für den Funkverkehr und die ATTACK-FORMATION im Falle eines Falles. Da kann wohl gar nichts mehr schief gehen, außer, dass wir uns gegenseitig über den Haufen fahren. Aber da müssen wir nun wohl durch.
 
Salalah bis Aden
Fri 26.2.2010 - 13:31 von Gisela*
Eine Woche vor Start des Konvois schreien die Windvorhersagen nach sofortiger Abfahrt. Angesagt sind für mehrere Tage 10 bis 20 kn aus östlichen Richtungen, was eine Wellenhöhe verursacht, in der die Piraten ihre Schnellboote nicht mehr einsetzen können, so dass auf der von uns geplanten Route unter der Jemenitischen Küste ohnehin nicht zu erwartende Übergriffe noch unwahrscheinlicher werden. SILVERCURL und PACIFIK STAR machen sich startbereit und gemeinsam versuchen wir, noch zwei, drei weitere Boote zur Mitfahrt zu überreden. Aber die Angst vor Piraten sitzt tief bei den Anderen und unsere beiden Skipper haben - nachvollziehbar - auch nicht den Mut, sich zu Zweit auf den Weg zu machen. Trotzdem sind wir Mädels uns einig - wir wollen hier weg. Aber die Verantwortung und damit das letzte Wort hat immer noch der Skipper. Also fügen wir uns und warten eben weiter.
Zwei Tage vor Konvoistart erledigen wir die letzten Einkäufe. Nachmittags kommt Mohammed zum Kaffee an Bord und plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen. Er selbst hat nur eine Ehefrau, sein Vater dagegen drei und insgesamt 12 Kinder. Die Schwestern haben mit ihrer Eheschließung den Wohnsitz zur Familie ihrer Ehemänner gewechselt, während die Brüder mit ihren Familien im Haus seines Vaters leben. Folglich führen acht Frauen zusammen den Haushalt und schnibbeln in friedlicher Eintracht gemeinsam die Tomaten, wie Mohammed uns wissen lässt. Das mit der Vielweiberei scheint sich bei den fortschrittlichen moslemischen Männern nicht mehr über die Zahl der Ehefrauen zu regeln - das ist wohl auf Dauer zu teuer -, sondern über Freundinnen, auch Geliebte genannt. Deren Zahl ist dann offenbar auch nicht auf vier beschränkt, sondern beliebig erweiterbar.
Am Abend erfahren wir dann eine unglaubliche Geste omanischer Gastfreundschaft. Alkohol gibt es im Oman nirgends zu kaufen, außer für viel Geld in den besseren Hotels der großen Ketten. Nur im OASIS-Club, einem Bowlingclub mit angeschlossenem Restaurant, gibt es alkoholische Getränke, sogar frisch gezapftes Bier vom Fass. Ein Schild an der Tür verbietet allerdings jede Mitnahme von Alkohol. Umso überraschter sind wir, als Mohammed am Abend mit einer Palette Halbliterdosen Fosters Bier und einer Flasche Rotwein angeschleppt kommt. Wir haben keine Ahnung, wie er daran gekommen ist und warum er gerade uns damit beglückt (sollte man uns den geregelten Alkohlolkonsum vielleicht schon ansehen?), aber egal - dankbar nehmen wir seine Geschenke an und schnell wandern die wertvollen Gaben in die dafür vorgesehenen Stauräume.
Ganz stilecht bekommt der Skipper am Morgen seines Geburtstags ein angemessenes Ständchen gebracht - und einen Sack voller Geschenke von BLUE PEARL, PAZIFIK STAR und AQUILA. Für seine zukünftigen unplanmäßigen Schwimmübungen im Hafenbecken bekommt er die notwendige Sicherheitsausrüstung geschenkt: ein Paar Schwimmflügel nicht zu toppenden Designs (siehe Foto). Damit kann nun wirklich gar nichts mehr schief gehen. Ich sehe ihn schon mit diesen niedlichen Fischchen an den Armen mit BABYCURL durch den Hafen sausen. Nachmittags finden sie sich alle zum Geburtstagskaffee mit frisch gebackenem Apfelkuchen an Bord ein, einschließlich Mohammed.
Bedauerlicherweise wird diese kleine Feierlichkeit durch einigen Bürokratiestress gestört. Um den Behörden die Ausklarierungsarbeiten für die 25 am Konvoi beteiligten Schiffe zu erleichtern, wird Mohammed die erforderlichen Papiere einsammeln und alles Nötige in die Wege leiten. Leider ist den Offiziellen aber am letzten Tag eingefallen, dass wir neben den bis dahin geforderten Unterlagen je eine Kopie der Bootsregistrierung und der Versicherungsbestätigung benötigen. So wird SILVERCURLs Salon zu Mohammeds Office umfunktioniert und zwischen Kaffee kochen und Kuchen verteilen fotografiere ich Bootspapiere und Versicherungsscheine und bringe den Drucker dazu, die erforderlichen Bestätigungen druckfrisch auszuwerfen. Ich bin mal wieder ganz in meinem Element! Gerade noch fast rechtzeitig finden wir uns zu der um 16.00 Uhr im OASIS stattfindenden Konvoibesprechung ein. An dieser Stelle bricht allerdings endgültig das große Chaos aus. Viele Schiffe haben überhaupt keine Versicherung, weil älteren Baujahrs, andere sind versichert, haben aber den erforderlichen Nachweis nicht dabei, was dann wiederum eine Strafe von 100 Rial (etwa 200 Euro) nach sich zieht. Aber wenn\'s um\'s Geld geht kennt der Erfindungsreichtum eines erfahrenen Weltumseglers mal wieder keine Grenzen. Aus dem Internet werden die entsprechenden Formulare für Versicherungsbescheinigungen herunter geladen, um die individuellen Bootsdaten ergänzt und schon sind alle Anforderungen der Behörden erfüllt. Endlich, gegen Mitternacht kommen wir ausgestattet mit den Ausreisestempeln in unseren Pässen zurück an Bord und fallen müde in die Kojen.
Erstaunlich ruhig verläuft am nächsten Morgen das Anker-auf-Manöver von 27 Schiffen auf so engem Raum. Nur unser Anker hängt am Anker der neuseeländischen SILVERFERN und wir sind fast die Letzten, die den Hafen verlassen. Wir vergessen, uns bei der Port Control abzumelden, was uns wenig später durch einen über Funk erteilten Tadel einholt. Zeitgleich mit uns läuft ein japanisches Kriegsschiff, wohl zur Bewachung des Korridors für die Großschifffahrt abgestellt, aus. Und dann befinden wir uns wieder auf See zusammen mit 26 weiteren Yachten aus 12 Nationen auf dem Weg in das derzeit piratenträchtigste Gebiet der Welt.
Am ersten Tag fahren wir in Ermangelung von Wind unter Maschine. Der eine oder andere setzt auch seine Segel, was aber auch nicht wirklich etwas bringt. Außerdem haben wir einen Knoten Gegenstrom. Unter diesen Bedingungen fällt es schwer, die vorgegebene Formation bei zu behalten. In der ersten Nacht verliere ich den Kontakt zu unserer Gruppe, so dass PACIFIC STAR, unser Leadboat, mich mit dem Einschalten seiner Decksbeleuchtung wieder auf den richtigen Kurs bringt. Weisungsgemäß bleiben die Dreifarbenlaternen im Mast ausgeschaltet, man fährt mit eingeschalteten Positionslaternen, wenn denn vorhanden. Es gibt nämlich tatsächlich Schiffe, die nur über eine Dreifarbenlaterne im Mast verfügen und somit für das Fahren unter Maschine nur unzureichend ausgestattet sind. Die im Cockpit aufgehängte LED-Lampe spendet so wenig Licht, dass sie auch aus geringer Entfernung kaum auszumachen ist.
Am zweiten Tag unserer Konvoifahrt steht eine Übung zur Bildung der ATTACK FORMATION auf dem Programm. Auf den Befehl "Execute Excalibur" sollen wir zunächst innerhalb der Gruppen und dann auch die einzelnen Gruppen aufschließen, so dass wir möglichst dicht beieinander sind. Die hinteren und seitlichen Yachten sollen Leinen nach achtern auslegen, die die Propeller eventuell angreifender Schnellboote außer Gefecht setzen sollen. Das Übungsmanöver geht natürlich total in die Hose. Das Feld liegt so weit auseinander, dass die hinteren Boote mindestens eine halbe Stunde brauchen, um das vordere Feld zu erreichen. Und das nur unter der Bedingung, dass die erste Linie unvermittelt aufstoppt. Das tut sie aber leider nicht und so kommen zwar die einzelnen Gruppen mit jeweils sechs oder sieben Yachten ganz gut zusammen, ansonsten sind wir ziemlich weit weg vom angestrebten Ergebnis.
Und wie schlecht das alles mit 25 Booten funktioniert, erfahren wir, als ein Schnellboot von SE auf uns zugerast kommt und unvermittelt die hintere Gruppe des Konvois ansteuert, um an einer der Yachten längsseits zu gehen. Schnell kommt die Durchsage, dass die sechs Insassen unbewaffnet sind und nur nach Zigaretten fragen. Stattdessen bekommen sie Kekse und ziehen weiter ihres Weges. Was wir daraus lernen ist, dass wir im Fall einer richtiges Angriffs innerhalb von höchstens fünf Minuten aufschließen müssen, um die Isolierung der hinteren Boote zu verhindern. Und das ggfs. auch unter Segeln. Wie soll das gehen???
Spätestens an dieser Stelle kommen wir zu dem Ergebnis, dass unsere Entscheidung für diesen Konvoi falsch war. Schon am zweiten Tag melden sich vereinzelt Skipper, weil sie nicht genügend Treibstoff für die gesamte Strecke gebunkert haben. Nachts kommt es immer wieder zu Orientierungsproblemen, das Radargerät läuft rund um die Uhr. Außerdem zieht der eine oder andere Spaßvogel auch noch seine Angelleine hinter sich her. Es ist einfach nicht zu fassen. Die Motoren der Einrumpfschiffe laufen 24 Stunden am Tag und es ist fraglich, wie lange sie das durchhalten können. Am dritten Tag kommt es zu der ersten Unterbrechung wegen eines Keilriemenrisses auf einer der Yachten, die während der Reparaturarbeiten von einem anderen Schiff geschleppt wird. Einem Wiener Katamaran, nur angetrieben von zwei Außenbordern, geht nach drei Tagen das Benzin aus, außerdem springt einer der Motoren nach dem Tanken von gespendetem Sprit nicht mehr an - auch er wird geschleppt. Pausenlos wird im Netz über die zu fahrende Geschwindigkeit diskutiert. Die meisten Schiffe haben trotz des wenigen Windes Segel gesetzt und wir fragen uns, wie die im Notfall ihre Fahrt reduzieren wollen, vor allem, wenn sie nicht über Rollsegel verfügen. Wir malen uns lieber nicht aus, welches Chaos dabei entstehen würde.
Obwohl der Funkverkehr auf ein Minimum reduziert werden soll, wird im Netz gequatscht, was das Zeug hält, ganz nach dem Motto: "Auf jedem Schiff, das schwimmt und schwabbelt, sitzt einer drauf, der dämlich sabbelt!". So kommt es zu Konversationen von nicht zu unterschätzendem Unterhaltungswert. Den Frauen im Allgemeinen und mir im Besonderen eilt ja bekanntlich der Ruf voraus, einen Redeschwall von 40.000 Wörtern am Tag produzieren zu können. Diese Leistung wird von den Männern hier mühelos getoppt - das steht nach dieser eindrucksvollen Erfahrung fest wie ein Fels in der Brandung. Sonntagnachmittag wird der Austausch all der wichtigen Informationen und Nettigkeiten jäh unterbrochen, als wir auf Kanal 16 den Notruf eines Koreanischen Frachters und den nachfolgenden Funkverkehr mit einem amerikanischen Warship empfangen. Etwa 50 nm von uns entfernt hat es eine Piratenattacke auf den Frachter gegeben. Über eine Stunde dauert der Funkverkehr - dann scheint der Angriff abgewehrt zu sein. Die aufgeregten Hilferufe des Kapitäns führen sicher nicht nur bei mir zum nicht unerheblichen Anstieg der Adrenalinproduktion.
Am letzten Tag legen wir erneut eine Pause ein, weil an einigen Motoren irgendwelche Filter gewechselt werden müssen. Bei der Annäherung an Aden in der letzten Nacht gegen 3.00 Uhr - gerade rechtzeitig zum Wachwechsel auf SILVERCURL - geraten einige Yachten der vorderen Front in Fischernetze und -markierungen. Wir befinden uns in einem riesigen Feld von Netzen und Markierungsbojen, die in der Dunkelheit zu umschiffen sind. Mehrere Schiffe touchieren die Netze und Leinen, ein paar fangen sie sich im Propeller ein. Endlich, nach drei Stunden wird es hell und Aden liegt vor uns. Die Anmeldung von 27 Yachten über Funk bei der Port Control mit Buchstabieren von Schiffs- und Skippername, Angaben der Nationalität und der Tonnage, last und next Port of Call ist ein echtes Unterhaltungsprogramm. Es gibt nichts, was der Officer am anderen Ende nicht mit lustigen Bemerkungen kommentiert und so müde wir nach dieser nervigen Überfahrt auch sind, wir lachen uns kaputt. Um 11.00 Uhr fällt im Hafen von Aden unser Anker - MERLIN 3 - so SILVERCURLs Deckname im Funkverkehr - und hat es überstanden.
 
Aden bis Port Ghalib/Ägypten
Sat 13.3.2010 - 12:55 von Gisela*
Wir lassen es langsam angehen nach der anstrengenden letzten Nacht auf See und gönnen uns erst einmal eine Mütze voll Schlaf. Die Beamten von Immigration und Custom sind sowieso völlig überfordert mit der Ankunft von 27 Schiffen. Wir suchen sie erst am Nachmittag auf. Das Immigrationoffice hat den Charme einer Garage und ist ausgestattet mit zwei ramponierten Schreibtischen und Stühlen, die schon beim Angucken vor Altersschwäche zusammen brechen. In der Ecke liegt eine Matratze, auf der es sich während unserer Anwesenheit einer der Officer, die linke Backe dick mit Kath gefüllt, völlig ungeniert gemütlich macht.
In Aden (Hafen siehe Foto mit Uhrenturm), Hafenstadt an einer der am stärksten befahrenen Schifffahrtswege der Welt mit 6 Mio. Einwohnern schreckt zunächst der all gegenwärtige Schmutz ab. Schon beim Einlaufen in den Hafen fällt der Blick auf von Müll übersäte Hänge. Die verschiedenen Stadtteile liegen zwischen Bergen vulkanischen Ursprungs, das graue Lavagestein ist kahl und unwirtlich. An den Hängen haben sich Wohnsiedlungen unvorstellbarer Einfachheit gebildet. In der Stadt findet man eine Vielzahl von in Entstehung befindlichen Gebäuden, mancher Rohbau scheint aber schon seit einigen Jahren vor sich hin zu ruhen. Manchmal ist in einer solchen Baustelle aber auch schon das eine oder andere Apartment bewohnt, erkennbar an der am Balkon montierten Satellitenschüssel.
Im Gegensatz zum Oman, wo auf den Straßen und in den Supermärkten selten Frauen anzutreffen waren, scheinen sie hier ein relativ freies Leben zu führen, natürlich nur in Vollverkleidung mit Vollvisier, aber immerhin. Und sie begegnen uns mit Neugier und Aufgeschlossenheit. Oft sprechen Sie uns an, möchten wissen, woher wir kommen, zeigen uns stolz ihre Kinder oder helfen bei der Kommunikation mit Taxifahrern. Tja, und was soll man zu den jemenitischen Männern sagen? Die überwiegende Zahl dieser Spezies hängt irgendwo herum, vorzugsweise auf einer auf Stein- oder Müllbergen ausgebreiteten Pappe oder an Hauswänden und auf Treppen. Zunächst glaubt man, sie würden von unerträglichen Zahnschmerzen gequält, so dick ist ihre Backe. Aber nein, das ist es nicht. Sie kauen nur Kath. Kaum ein männliches Wesen, das nicht ein Plastiktütchen voller Blätter mit sich führt, von denen eines nach dem anderen zwischen den Zähnen verschwindet und dort zermalmt wird, um sich mit dem bereits vorhandenen Blätterbrei im Hamsterbäckchen zu vermischen. Kaum zu glauben, wie man damit sprechen kann. Sie behaupten zwar, Kath hätte ähnliche Wirkung wie Koffein, in Wirklichkeit handelt es sich aber wohl um eine Droge mit mehr oder weniger starker Rauschwirkung, die außerdem eine ganz hässliche Zahnverfärbung hinterlässt.
Bemerkenswert sind die Autos - sofern man die hier herum fahrenden Vehikel überhaupt als solche bezeichnen kann. Besonders die alten Taxen zeichnen sich durch Gebrauchsspuren uns bisher nicht vorstellbaren Ausmaßes aus. Sie vermitteln den Eindruck, als wäre Bedingung zum Einsatz als Taxi die vorherige Teilnahme an einem oder mehreren Autocross Rennen. Nicht nur die Karosserie muss verbeult sein, auch die Beleuchtungsanlage sollte, wenn überhaupt, nur noch partiell funktionieren. Wofür braucht man auch vier Lichter an einem Auto? Das Verfallsdatum von Stoßdämpfern, Lenkung und Bremsen dürfte meist schon Lichtjahre zurück liegen und Anschnallgurte gibt es nur für den Fahrer - zumindest das ist polizeilich so vorgeschrieben. Über Kleinigkeiten wie nicht funktionierende Instrumente, durchlöcherte Sitze, zerfetzte Innenverkleidungen, mit einem Tüddelband befestigte Stoßstangen und, und, und, sieht man da schon großzügig hinweg. Nur eine testamentarische Verfügung und der Abschluss einer Lebensversicherung, sofern noch nicht vorhanden, sind unter diesen Bedingungen Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Transportservices, wie uns scheint.
An der Prince of Wales Pier bieten wieder lauter Omars, Alis und Mohammeds ihre Dienste an. Es gibt praktisch nichts, was sie nicht für uns tun können, wenn man ihren unablässigen Beteuerungen Glauben schenken darf. Wir besorgen uns zuerst Geld und eine SIM-Karte fürs Telefon (zum Nachweis meiner Identität muss ich statt einer Unterschrift einen Fingerabdruck auf dem ausgefüllten Antragsformular hinterlassen), dann trinken wir zusammen mit BLUE PEARL im Segelclub unser Ankerbier. Während es natürlich auch im Jemen nur in ganz wenigen Lokalen Alkohol gibt, stehen in diesem zweifelhaften Etablissement schon nachmittags die Wodkaflaschen auf dem Tisch. Auch dass wir hier ein paar Frauen mit unverkleideten Gesichtern zusammen mit Männern antreffen, ist ungewöhnlich. Abgerundet wird das Bild durch Sonja aus Somalia, der bauchnabelfreien, völlig bekifften Kellnerin des Hauses - in einem moslemischen Land. Was soll man davon halten?? SILVERCURL liegt unmittelbar vor diesem Segelclub vor Anker und im Laufe der folgenden Abende gelangen zunächst westliche, im Verlauf der Nächte auch schreckliche arabische Klänge in unsere genervten Gehörgänge und bringen uns um den wohl verdienten Schlaf.
Einer der allzeit bereiten freundlichen Führer führt uns zu einem sehr, sehr einfachen "local Restaurant" in Hafennähe. Die Räumlichkeiten erinnern an eine herunter gekommene Metzgerei, als Tischdecke dient die Doppelseite einer Zeitung vom 15. Juli 2009. Es gibt gegrilltes Hähnchen, dazu eine Käsecreme, in die man frisch gebackenes plattes Fladenbrot dippt. Vorsichtshalber schütten wir zur innerwärtigen Desinfektion an Bord Wodka hinterher.
Am Tag nach unserer Ankunft tätigen wir unsere Einkäufe in der ADEN-Shopping Mall, einem riesigen neuen Einkaufszentrum, das neben einem LULU Supermarkt über Shops zahlreicher Branchen verfügt und keine Wünsche offen lässt. Vor allem Geschäfte mit Brautkleidern und Abendgarderobe (bodenlang, mit Pailletten bestickt, schulterfrei und tief dekoltiert) reihen sich aneinander - wobei die Frage offen bleibt, welche moslemische Frau das, wenn überhaupt, wo tragen darf. Die zahlreich vorhandenen Rolltreppen dienen auch als Schulungsstätte, an denen den Damen in ihren langen Gewändern die Nutzung derselben nah gebracht wird. Ängstlich stehen sie in Grüppchen davor und trauen sich meist nicht, den ersten Schritt zu tun, während der einweisende Mann unablässig auf sie einredet. Bei diesem Geschlabber um die Beine herum, wäre mir allerdings auch nicht ganz wohl bei der Sache.
Abends finden wir uns zur Konvoiparty im Segelclub ein. Die Bedankungen für die gute Organisation und die Belobigungen für unser vorbildliches Verhalten kommen hier zu ihrem Höhepunkt. Zum Glück wollen aber alle schnell in die Koje - uns steckt noch der Schlafmangel in den Knochen - und nach einer Stunde sind wir entlassen.
Da sind schon die Kaffeekränzchen im kleinen Kreis an Bord von SILVERCURL mit von PACIFIC STAR gestifteter Schwarzwälder Kirschtorte netter. Gegessen wird abends immer in einem der auch von den Einheimischen besuchten Restaurants. Erstaunlich oft begegnen einem dort auch Frauen, meist in kleinen Gruppen oder mit Kindern, aber ohne männliche Begleitung. Um Frauen beim Essen vor unerwünschten Blicken zu schützen, sind einige Tische mit Vorhängen abgeteilt, so genannte Familientische, in anderen Restaurants verstecken sie sich hinter Parapluies. Im Reem Tourist Restaurant sieht es darum aus wie in einem alten Kreißsaal.
In der Nacht zu Samstag, rechtzeitig zur Ankunft unseres Freundes Hannes aus Innsbruck, öffnet der Himmel seine Schleusen - ich wusste gar nicht, dass es hier überhaupt mal regnet - und verschafft SILVERCURL die dringend notwendige Reinigung. Der Wecker klingelt um 4.00 Uhr, Hannes soll um 5.20 Uhr landen. In Ölzeug verpackt (!) machen wir uns auf den Weg zum Anleger, der sich wegen Stromausfalls in tiefe Dunkelheit hüllt. Wir treffen auf einen durch unsere Ankunft aufgeschreckten Wächter am Gate. Auf der Suche nach einem Taxi - ein völlig hoffnungsloses Unterfangen - scharen sich plötzlich 5 Leute um uns herum, die offenbar in irgendeiner Ecke genächtigt haben. Schlaftrunken und unter großem Palaver, bemühen sie sich, uns zu helfen, während wir an der völlig überfluteten, für einige Autos nicht mehr passierbaren Straße nach einem Fahrzeug Ausschau halten. Ein Kleinbus nimmt uns schließlich mit und veranstaltet für uns eine Extratour zum Flughafen. Die Stadt liegt völlig im Dunkeln und wir können in der Finsternis nur wage ausmachen, dass die Straßen bis zur Bordsteinkante überflutet sind und das Wasser in Sturzbächen von den Bergen heruntersprudelt, den herum liegenden Abfall zu Tal transportierend. Wir geraten an drei Absperrungen, die unser Fahrer über Umwege zu umfahren hat, während das Wasser schon zur Tür herein gelaufen kommt. Das macht aber nichts, der Bus ist nämlich selbst lenzend. Dann sind wir endlich (fast) pünktlich am Flughafen, wo Hannes schon punktgenau gelandet ist.
Die Rückfahrt dauert 5 Stunden. Wegen Straßensperrungen entscheiden wir uns für eine Pause mit Frühstück im Mercur Hotel in der Hoffnung, dass sich die Lage in zwei Stunden entspannt hat. Und dann sehen wir das ganze Ausmaß der Bescherung: Das Hotel-Restaurant ist mit Pfützen übersät, auf den Dächern der Häuser stehen Leute, um Leckagen abzudichten und an manchen Stellen waten die Menschen wadentief durchs Wasser, was besonders die Kinder lustig finden. Dazwischen angeschwemmter Müll und Schlamm ohne Ende. Das von vorbei fahrenden Autos in die Vorgärten spritzende Wasser wird per Eimern von den Grundstücksbesitzern wieder zurück auf die Straße geschippt. Die Geschäfte bleiben ebenso wie das Internet-Café geschlossen. Hier geht jetzt für Stunden gar nichts mehr.
Und dann wandern ungeahnte Schätze aus Hannes\' Gepäck in unsere Schapps. Neben verschiedenen Ersatzteilen erfährt unser Proviant eine kulinarische Bereicherung nach der anderen: Tiroler Speck, Salami, Landjäger, Aufbackbrötchen - uns läuft das Wasser im Mund zusammen!! Nachdem ein Schiff unseres Konvois nach dem anderen sich auf den Weg ins Rote Meer macht, verlässt uns am Sonntag auch BLUE PEARL, wir finden ein China-Restaurant, in dem es sogar Bier gibt, versorgen uns mit Proviant und warten weiter auf den richtigen Wind. Währenddessen ärgert sich der Skipper immer wieder über Raben, die sich unser Rigg als Rastplatz ausgesucht haben und mit ihren Hinterlassenschaften das Deck beschmutzen. Wir brauchen eine Waffe, darin sind sich die Jungs mal wieder einig. In einem Spielwarengeschäft erwerben sie eine Spielzeugpistole, als Munition dienen kleine Plastikkügelchen, ersatzweise wird noch ein Kilo Erbsen angeschafft. Und dann geht die Ballerei los. Ob der Skipper die Vögel allerdings trifft, wenn er morgens schlaftrunken, aber wutentbrannt aus der Luke heraus auf sie zielt, oder ob sie schon vom Luftzug der um sie herum sausenden Munition vertrieben werden, bleibt offen.
All unsere Bemühungen, von Aden aus einen zweitägigen Ausflug nach Sana, der Hauptstadt des Jemen zu unternehmen, scheitern an der Unwissenheit der Behörden. Von Tag zu Tag vertrösten sie uns, man wisse nicht so genau, ob und wann wir ein Visum bekommen würden und dann heißt es plötzlich, wir müssten es bei unserer Botschaft direkt beantragen. Schade, wir hätten uns diese alte Stadt, in der man sich um 1000 Jahre zurück versetzt fühlen soll, gern angesehen. Am Tag vor unserer Abfahrt suchen wir aber die wohl einzige Sehenswürdigkeit Adens auf, die so genannten Tanks. Ein riesiges Areal von Wasserauffangbecken, die schon 2.500 Jahre alt sein sollen und in früheren Zeiten der Wasserversorgung der Stadt gedient haben.
Donnerstag, den 4. März hat das Warten endlich ein Ende. Die Windvorhersagen sagen für das Bab El Mandeb, der südlichen Einfahrt ins Rote Meer, leichte südliche Winde voraus und auch weiter nördlich scheint uns in den folgenden Tagen günstiger Wind für die Fahrt nach Norden zu erwarten. Bedauerlicherweise wird unsere Freude über die Abfahrt schon beim Anker-auf-Manöver ausgebremst. Der hängt nämlich so bombenfest an irgendetwas fest, dass all unsere Bemühungen, ihn frei zu bekommen, kläglich scheitern. Weder das Quälen der Ankerwinsch oder Zerren an den Hahnepotleinen, die zur Entlastung der Ankerkette an beiden Bugs befestigt sind, hilft. Wir brauchen einen Taucher, das steht nach Scheitern all unserer Bemühungen fest. Wir hängen an einem alten Anker auf dem Grund des Hafenbeckens, von dem er uns schnell befreit und unserer Abreise steht - nach Abdrücken von 250 US$ nichts mehr im Wege.
Trotz der günstigen Windvorhersagen müssen wir dann tatsächlich vier Tage motoren, weil der Wind entweder zu schwach und/oder zu achterlich kommt, so dass der tatsächliche Wind sich mit dem Fahrtwind fast aufhebt. Am Ende des vierten Tages, kurz vor Erreichen des 18. Breitengrades Nord dreht er endlich auf südöstliche Richtungen mit 20 kn. Der Spinnaker kommt zum Einsatz, beim Bergen reißt das Trapez aus der Befestigung am Segel - der Sonntag ist gerettet. Fast den ganzen Tag nähe ich an dem Leichtsegel herum - mit der Hand, versteht sich. Wozu der gute alte Hexenstich doch gut ist - und eine Mutter und Oma, die ein Mindestmaß an hauswirtschaftlichen Fähigkeiten von Tochter bzw. Enkeltochter für unabdingbar hielten. Am nächsten Tag kommt es mal wieder zu einer Verstopfung einer der Bordklos, deren Beseitigung den Skipper vor schwerwiegende Probleme stellt, weil zudem der Fäkalientank vermutlich auch wegen dieser Verstopfung, gefüllt ist. Ohne an dieser Stelle auf Einzelheiten einzugehen, nach drei Tagen steht es fest: Es geht kein Weg daran vorbei. Hannes muss bei Flaute ins Wasser "hupfen", um den Pfropfen mit Hilfe eines "Pumpels" und einer Spirale zu entfernen.
Nach 1.023 nm und knapp acht Tagen und Nächten auf See erreichen wir am frühen Morgen des 12. März die Hafeneinfahrt von Port Ghalib in Ägypten. In dem Wissen, dass der Wind ab Port Sudan normalerweise überwiegend aus Nord bläst, sind wir mit diesem Ergebnis mehr als zufrieden. In dieser Marina mit Wasser, Strom, Hotelresort und Restaurants lässt es sich sicher ein paar Tage aushalten und entspannen. Und hier kann man das Mittelmeer fast schon riechen!!
 
Warten
Sun 28.3.2010 - 8:32 von Gisela*
Was auf den ersten Blick aussieht wie ein traumhafter Platz zum Verweilen (Foto Port Ghalib), entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Resort aus der Retorte mit zwei Hotels und der Marina - Vorboten einer riesigen am Reißbrett geplanten Lagunenlandschaft inmitten der Wüste. Die Restaurants sind gut und gemessen am ägyptischen Niveau teuer. Und überhaupt nicht ägyptisch, eher nachgemacht westlich. Eine riesige Flotte von Motorbooten lauert im Hafen auf zahlende Gäste und startet schon früh morgens mit mal mehr, meistens aber weniger Passagieren zum Tauchen an den vor gelagerten Riffs. Es gibt zwar eine Tankstelle für Diesel, im Übrigen sind die Versorgungsmöglichkeiten aber schlecht. Einige Kilometer außerhalb des Resorts gibt es einen sehr sparsam ausgestatteten Supermarkt und einen Obst- und Gemüseladen mit überwiegend verwelktem und verstaubtem Angebot. An der Promenade reiht sich ein Souvenirladen an den anderen und für die Benutzung von Strand und Pool sollen unsere Freunde mit den Kindern 10 US$ pro Tag und Person bezahlen. Aber endlich haben wir seit vielen Wochen mal wieder unbegrenzt Wasser und Strom zur Verfügung - welch ein Luxus. Die Waschmaschine läuft heiß, das Duschen darf mal wieder ganz verschwenderisch ausfallen und SILVERCURL wird von einer dicken Salz- und Sandkruste befreit.
Inzwischen sind auch PACIFIC STAR, BLUE PEARL und CHENOA, der harte Kern unserer "MERLIN-GROUP" eingetroffen. Unserer aufmerksamen Beobachtung der Windvorhersagen zufolge öffnet sich schon zwei Tage nach unserer Ankunft ein Wetterfenster zum Weiterfahren. Danach gibt es zwei Tage schwache Winde, anschließend soll es wieder Starkwind aus Nord geben, und zwar für mindestens eine Woche. Und so lange wollen wir hier nicht bleiben.
Und schon heißt es am Sonntag wieder "Leinen los" für unsere kleine Gruppe. Ziel ist Ras Abu Soma, eine von anderen Seglern im Vorjahr als ausgezeichnet beschriebene private Marina mit Hotel in 90 nm Entfernung. Um bei Tageslicht anzukommen, brechen wir im Laufe des Nachmittags auf und fahren unter Maschine durch die stockdunkle Nacht. Was uns allerdings bei der Ankunft erwartet, ist keine hübsche Marina, sondern eine Baustelle. Die auch hier mitten in die Wüste gebauten Resorts (Club Med und Kempinsky) lassen sich die Strand- und Poolbenutzung wieder gut bezahlen, Essen gehen kann man nur dort und auch dafür muss man dann die Tagespauschale für alle Mahlzeiten (75 Euro pro Person) bezahlen. Das geht natürlich gar nicht und wir beschließen stehenden Fußes die Weiterfahrt. Nur etwa 20 nm weiter liegt Hurghada mit einer neuen Marina. Noch von unterwegs reservieren wir vier Plätze und am Montag Nachmittag machen wir mit Hilfe der freundlichen Marineros in dem Hafen fest, rechtzeitig vor Einsetzen des vorher gesagten Starkwinds.
Und der kommt mit Macht. Während er mit 30 bis 40 kn über die Marina hinweg bläst, hat sich offenbar die gesamte Sinai-Wüste entschlossen, ihren Sitz auf SILVERCURL zu verlegen. Eine dicke Sandschicht überzieht nicht nur Deck, Bimini und Rigg, sondern gelangt durch jeden noch so kleinen Ritz ins Innere, um sich dort gleichmäßig zu verteilen. Er knirscht ebenso zwischen den Zähnen wie unter den Schuhsohlen. Man kann gar nicht dagegen an putzen. Trotzdem verleben wir zusammen mit unseren Freunden von den anderen Booten noch ein paar schöne Tage, bevor uns Hannes am Samstag verlässt. Und auch die Anderen haben es eilig. Auch sie lassen uns am Montag in der Hurghada Marina zurück und machen sich auf den Weg nach Norden. Schnief, schnief.
Die Hurghada Marina ist relativ neu, das Marinagelände eingezäunt und bewacht. Securities ohne Ende und rund um die Uhr bewachen sie alles, was es zu bewachen gibt. Innerhalb der Marina gibt es zahlreiche nette Restaurants und natürlich Souvenirläden, die alle den gleichen Ramsch anbieten. Die Anlage ist sauber und gepflegt, das Wasser türkisfarben, die in hübschen Gelb- und Rottönen gehaltenen Gebäude ragen in den blitzblauen Himmel. Trupps von Reinigungspersonal, mindestens in Dreiergrüppchen, halten die Mole und das Wasser sauber. Bis zu dem Zaun, der die Marina vom Rest der Welt trennt. Dahinter liegt die Altstadt mit herunter gekommenen Wohnunterkünften - Häuser mag man das jedenfalls nicht nennen - und Müll. Dazwischen Ziegen - mitten in der Stadt. Auch an der Hauptstraße reihen sich die Souvenirgeschäfte aneinander. Unablässig werden wir aufgefordert, uns die jeweiligen Auslagen anzusehen - ich kann dieses "nur gucken, nicht kaufen" langsam nicht mehr hören.
Während wir auf unserer Fahrt durch das Rote Meer noch immer Temperaturen von über 30° C hatten bei einer Luftfeuchtigkeit von um die 80 %, lässt der Nordwind das Thermometer auf maximal 25° C fallen, nachts sogar auf nur 16° C. Die Luftfeuchtigkeit sinkt auf unter 50 %. Wie angenehm. Es kommen wieder warme Decken zum Einsatz und Fleecepullover. Endlich kann man nachts wieder gut schlafen. Zwei Tage halten wir es in Hurghada noch aus, dann fahren wir 18 nm weiter nach Norden nach El Gouna, einer weiteren Retortenstadt mit Hotels, Ferienwohnungen und der Abu Tig Marina. In ein paar Jahren wird wohl die gesamte ägyptische Rote-Meer-Küste mit solchen Ferienanlagen zugebaut sein. Allerdings sind auch hier die Möglichkeiten schnell abgearbeitet. Und so beschäftigen wir uns überwiegend mit Warten. Warten auf Schwach- oder Keinwind aus Nord, weniger Welle und auf das Ende des Tages. Mit der nächsten Schwachwindphase wollen wir nämlich versuchen, weiter nach Norden zu gelangen. Und die ist für Sonntag (heute) bis Dienstag angekündigt. Warten wir's ab.
Übrigens sind wir auch wieder telefonisch erreichbar. Entweder über unser ägyptisches Handy (0020 190 706 687) oder über unsere Skype-In-Nummer 04342 711 384 (wird auf das Handy umgeleitet, wenn wir nicht online sind).
 
El Gouna bis Port Suez
Fri 9.4.2010 - 10:33 von Gisela*
Sonntagmorgen verlassen wir also schon früh die Abu Tig Marina bei schwachem Nordwind. Etwa 150 nm haben wir uns vorgenommen, dann würden wir die Dome Marina, etwa 30 nm vor Port Suez erreicht haben. Wie von der Vorhersage versprochen bleibt der Wind schwach und wir kommen unter Maschine je nach Tidenstrom mal besser, mal schlechter voran. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit gelangen wir an den "Kreisverkehr", an dem wir das Verkehrstrennungsgebiet im Golf von Suez von West nach Ost queren können, um auf der "richtigen" Seite des Fahrwassers zu fahren. Ausgerechnet jetzt kreuzen in schneller Folge drei riesige Frachter auf dem Weg nach Norden unsere Bahn, zwischen denen wir uns hindurch mogeln sollen. Dann motoren wir mal mit, mal ohne Fock durch die mondhelle Nacht. Zahlreiche Bohrinseln und Ölfelder bilden eine beeindruckende Kulisse, vor der die passierenden Frachter manchmal wegen der vielen Lichter nur schwer aus zu machen sind.
Morgens um 6.00 Uhr, gerade zum Ende meiner Wache, kommen plötzlich 25 kn Wind aus Nord auf. So, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Gleichzeitig baut sich innerhalb wenigen Minuten eine kurze hohe Welle auf, die unter SILVERCURL kracht und ihre Geschwindigkeit im Nu auf 3 kn reduziert. Das mögen wir dem Material und uns nicht antun, drehen bei und laufen den nächsten geschützten Ankerplatz an. Schnell erreichen wir die 11 nm entfernt liegende Marsa Thelemet, eine durch ein Riff gegen Nordwind geschützte Bucht auf der Westseite des Golfs. Hier liegen wir unmittelbar in der Wüste (siehe Foto). Um uns herum nur Sand, Hügel und gelegentlich ein paar Fischerboote, die sich zum Ausruhen hierher verholen. An der Küste zieht sich die Fernverkehrsstraße entlang, die Port Said im Norden mit Marsa Alam im Süden miteinander verbindet. Berge bestimmen das Bild an beiden Seiten der Küste und im Licht der Morgensonne geht selbst von diesen ansonsten trist anmutenden Hügeln aus Stein und Sand ein unter die Haut gehender Zauber aus. Diese Farben sind einfach nicht zu beschreiben. Hier werden wir warten, warten, warten, bis der Wind nachlässt.
Und hier kommt mein in Hurghada zum Special-Preis erworbener Vodafone-Internetstick zum Einsatz. Der läuft sozusagen heiß. Verblüffender Weise haben wir hier nämlich eine sehr gute Verbindung. Da kann man(n) sich ganz schön die Zeit vertreiben mit Lektüre von FAZ und Fußballergebnissen. Und man(n) kann sich sogar für die Zeit "danach" im Internet ein Auto bestellen! Gelobt sei diese Kommunikationstechnik!!! Nur ich komme nicht richtig auf meine Kosten - Skypen lässt Vodafone nämlich nicht zu mit diesem Stick :-(.
Getrieben von der Sorge um den nach drei Tagen Liegezeit zu erwartenden Höhlenkoller, vertrauen wir leichtsinniger Weise auf die meistens nicht zutreffenden Windvorhersagen von Wetter-online und Windguru und lichten am 1. April den Anker bei 10 kn Wind aus Nord, 5 kn mehr als angekündigt. Kaum die Nase aus der Bucht gesteckt, brist es auf 15 kn auf, unter Berücksichtigung des Fahrtwindes haben wir 20 kn auf die Nase. Mit Hackwellen, versteht sich. Mit beiden Maschinen kommen wir bis zur nächsten einigermaßen Schutz bietenden Bucht 25 nm weiter nördlich. An Land gibt es einen Ort namens Damaran Abu Mieish, Menschen können wir aber nur vereinzelt ausmachen und ob es sich bei den Häusern um Rohbauten oder Ruinen handelt, können wir aus der Ferne nicht feststellen . Ein Kamelreiter unternimmt einen abendlichen Ausflug am Strand. Etwas weiter nördlich sausen ein paar Kitesurfer hinter dem schützenden Riff hin und her, aber abends bleibt es in den meisten Häusern dunkel - wir haben es hier wohl eher mit einer Geisterstadt zu tun.
Beim Motorencheck stellen wir fest, dass das Getriebeöl der Backbordmaschine milchig ist, eindeutiges Zeichen von Wasser im Öl, vermutlich eingedrungen durch den Saildrive. Was wiederum bedeutet, dass wir SILVERCURL aus dem Wasser nehmen müssen. Und da das voraussichtlich erst auf Kreta oder alternativ in der Ashkalon Marina in Israel geht, können wir vorerst nur mit der Steuerbordmaschine fahren und die Backbordmaschine nur zum Manövrieren benutzen. Auf diese Weise gelangen wir denn am nächsten Tag auch bei schwachem Gegenwind nach Port Suez. Die Zufahrt zum Ankerplatz des Suez Yacht Club ist einfach, gleich hinter der Moschee geht's links ab ins South Basin, wo wir von Mr. Magdy, unserem Agenten für die Kanalpassage, und Karkar, der Seele des Suez Yacht Club, empfangen werden. Schnell sind Leinen von Bug und Heck zu den ausgelegten Mooringbojen gelegt. Wir haben es geschafft, jetzt trennen uns nur noch 160 km vom Mittelmeer.
Mr. Magdy klärt uns über die Einzelheiten und Formalitäten der Kanalpassage auf und Karkar entpuppt sich als überaus freundlicher, hilfsbereiter und sympathischer Helfer. Unser Dinghi müssen wir hier nicht zu Wasser lassen, Karkar fungiert als Taxiboot und ist auf Zuruf sofort zur Stelle. Er entsorgt unseren Müll, besorgt Diesel und bringt unsere Wäsche in die Laundry. Und das alles mit nicht zu überbietender Herzlichkeit.
Zur Festlegung der Kanalgebühr muss SILVERCURL vermessen werden, weswegen am nächsten Morgen der Vermesser an Bord kommt. Ein ziemlich schwieriges Unterfangen, wie sich herausstellt. Offenbar richtet sich die Gebühr nach dem Rauminhalt des Fahrzeugs und die kann nicht einfach durch Länge mal Breite mal Höhe ermittelt werden. Schließlich muss auch ein Vermesser seine Existenzberechtigung nachweisen. Unter Mithilfe des Skippers vermisst er das Boot innerwärts von vorne nach hinten, von hinten nach vorne, von links nach rechts, längsseits und querwärts und von oben nach unten, wobei für die Ermittlung des Saldos von 7 minus 3 der Taschenrechner zum Einsatz kommen muss. Das Ergebnis der Berechnungen bleibt uns verborgen. Lediglich die Höhe der sich ergebenden Kanalgebühr (358 US$) wird uns mitgeteilt.
Unser Landgang und unsere Fahrt in die Innenstadt machen deutlich, dass wir uns in Port Suez fernab allen touristischen Lebens befinden. Hier ist noch niemand vom Tourismus verdorben. Überall werden wir mit einem herzlichen "Welcome in Egypt" begrüßt. Preise für Lebensmittel und Restaurantbesuch sind extrem niedrig. Auf der Suche nach einer Verkaufsstelle für Getriebeöl spricht uns Karem an, ein junger Mann, der uns unablässig seine Assistenz anbietet. Und eh wir wissen, wie uns geschieht, hat er schon sein Handy am Ohr, um nach besagtem Öl zu telefonieren, während wir uns unvermittelt in seinem Geschäft wieder finden, einem etwa 20 Quadratmeter kleinen Laden für Raumausstattung. Eine Farbenmischmaschine wie wir sie aus unseren Baumärkten kennen, produziert unablässig Farben unterschiedlichster Couleur für die wartende Kundschaft. Wir sind ebenso überrascht wie beeindruckt. Stolz erklärt er uns, dass hier mit deutscher Technik gearbeitet wird und wir sollen uns die Wartezeit mit der Auswahl von italienischen Tapeten und modernsten Wandantrichtechniken verkürzen. Offenbar glaubt er, wir würden in Port Suez wohnen und könnten unser Heim mit seinem Angebot verschönern. Nach zahlreichen Getriebeöltelefonaten und etwa einstündiger, sehr unterhaltsamer Wartezeit bekommen wir das Öl direkt im Laden angeliefert, der Farbenmischer wird abgestellt, uns zum nächsten Supermarkt zu begleiten und zu guter Letzt lässt sich Karem nicht davon abhalten, uns auch noch mit seinem Auto zurück zum Hafen zu fahren. Bei dem Auto handelt es sich um einen Peugeot 504 , Baujahr 1989. Der Tacho weist einen Stand von rund 376.000 km aus. Lachend erläutert uns Karem aber, dass von den Armaturen nur noch die Benzinuhr und die Wassertemperaturanzeige funktioniert, das Tachometer ist vor 3 oder 4 Jahren stehen geblieben ...
An dieser Stelle unterbreche ich meinen Bericht auf Wunsch einer einzelnen Dame und schicke schon mal ein bisschen Lesestoff in die Heimat. Gestern haben wir den ersten Teil des Suez Kanals passiert, liegen jetzt in Ismailia auf halbem Weg nach Port Said und werden am Sonntag weiter fahren. Wegen des Wassers im Getriebeöl werden wir die Ashkelon Marina in Israel anlaufen.
 
LETZTE MELDUNG!!
Sun 11.4.2010 - 14:09 von Gisela*
DANKE, DANKE, DANKE FÃœR ALL DIE GUTEN WÃœNSCHE ZU MEINEM GEBURTSTAG!!! ICH FREUE MICH, DASS SO VIELE MENSCHEN AN MICH GEDACHT HABEN!!! STOP

SONNTAG, 11.04.2010 - WIR SIND WIEDER IM MITTELMEER! STOP 12.10 UHR - LOTSE GEHT IN PORT SAID VON BORD STOP
12.55 UHR - WP ANSTEUERUNG PORT SAID ERREICHT UND KURS ABGESETZT AUF ASHKELON MARINA, ISRAEL STOP
ALLEN ZU HAUSE EINEN SCHÖNEN SONNTAG STOP
 
Port Suez bis Ashkelon/Israel
Tue 27.4.2010 - 8:58 von Gisela*
Bevor wir Port Suez verlassen, steht noch das Katharinenkloster am Mosesberg (siehe Foto) auf der Sinai-Halbinsel auf unserem Programm. Und zwar, der Empfehlung unseres Reiseführers folgend, einschließlich Nachtwanderung auf den Mosesberg. Abends um 21.00 Uhr geht es los, so dass wir den Parkplatz unterhalb des Klosters gegen 1.00 Uhr in der Nacht erreichen. Hier herrscht bereits rege Betriebsamkeit. Die Souvenirhändler öffnen ihre Stände und die Bergführer und Kameltreiber bereiten sich offenbar auf den Ansturm zahlreicher Touristen vor. Der Aufstieg zu der auf 2.285 Metern gelegenen Kapelle der Heiligen Dreifaltigkeit dauert drei Stunden. Wir entscheiden uns für die abgekürzte Variante und nehmen für die ersten zwei Drittel des Weges ein Kamel. Natürlich jeder eins. Und die tappern dann mit uns auf dem Rücken über einen schmalen, steinigen Weg durch die dunkle Nacht bergwärts, vorbei an zahlreichen kleinen Kiosken, an denen Tee, Wasser und Kekse verkauft werden. Eineinhalb Stunden dauert das Gewackel - ich weiß jetzt endlich, warum man bei diesen Tieren auch von WüstenSCHIFFEN spricht - dann haben wir den Kamelparkplatz erreicht. Von hier aus geht es nur noch zu Fuß weiter, 750 Felsenstufen sind noch zu bewältigen, dann haben wir die Spitze des Berges, auf der Moses die Zehn Gebote Gottes empfangen haben soll, erreicht.
Wir wärmen uns mit einem heißen Tee, schnappen uns ein Kissen und eine warme Decke - alles gegen gute Bezahlung - und lassen uns an einem Vorzugsplätzchen zur Betrachtung eines spektakulären Sonnenaufgangs nieder. Mit uns mehrere hundert andere, vor allem russische Besucher. Einige jugendliche Globetrotter sind schon am Vortag aufgestiegen, um auf diesem heiligen Berg zu nächtigen und krabbeln jetzt verschlafen aus ihren Schlafsäcken. Der Sonnenaufgang ist in der Tat spektakulär, der sich ständig veränderte Sonnenstand lässt die Berge in den schönsten Farbvarianten erstrahlen. Biblische Atmosphäre kommt allerdings angesichts der sich hier herum tummelnden Menschenmassen nicht auf, man fühlt sich eher wie in Rüdesheims Drosselgasse. Der zweistündige Abstieg über einen zweiten Weg führt uns über eine Treppe, deren 2.700 (!) Stufen im 6. Jahrhundert von einem Mönch in den Fels gehauen worden ist. Fast drei Stunden dauert der Abstieg und meine Beine fühlen sich an wie nach dem Abstieg von der Pfeishütte über die Arzler Reise an der Nordkette des Inntals.
Inzwischen haben auch zahlreiche Touristenbusse den Parkplatz im Tal erreicht und strömen nun in Scharen in das vor 1.400 Jahren an der Stelle errichten Klosters, wo Gott Moses im brennenden Dornenbusch erschienen sein soll. Ableger dieses Dornenbusches sind im Kloster zu besichtigen .... Na gut. Das Kloster beherbergt heute 23 griechisch-orthodoxe Mönche, eines der weltweit wertvollsten Archive christlich-religölser Manuskripte und eine bedeutende Ikonensammlung. Unser Bemühen, wenigstens den Höhepunkt der Anlage, eine byzantinische Basilika zu besichtigen, scheitert an den herbei strömenden Touristen - vor lauter Menschen sieht man gar nichts. Außerdem ist nach dieser schlaflosen Nacht die Luft nun endgültig raus - wir entscheiden uns für den Rückzug.
Am letzten Tag vor unserer Abreise in Port Suez wechseln wir noch einmal das milchige Getriebeöl, Donnerstagmorgen um 9.30 Uhr kommt unser Lotse an Bord und auf geht's Richtung Mittelmeer. Der Suezkanal hat eine Länge von 160 Kilometern. Die großen Frachter passieren ihn blockweise und wir "Kleinen" müssen ihn möglichst vor oder nach einem solchen Konvoi durchfahren. Bei Dunkelheit ist Yachten das Befahren des Kanals verboten, so dass auf halbem Weg in Ismailia am Lake Timsah, eine Zwangspause beliebiger Länge einzulegen ist. Die Kanalpassage selbst ist eher langweilig, rechts und links überwiegend Wüste mit Wachtürmen im Abstand von 500 Metern. Spannend wird es nur, wenn uns diese riesigen Frachter begegnen. Wir bleiben drei Nächte in Ismailia, weil die Windvorhersagen für unsere Weiterfahrt im Mittelmeer für eine Abfahrt erst am Sonntag sprechen.
Wir starten morgens um 5.30 Uhr nach Ankunft des Lotsen, erreichen Port Said am Mittag, werfen den Lotsen von Bord und schon hat das Mittelmeer uns wieder. Es empfängt uns grau, rau und herzlich. Für Herzlichkeit sorgt eine Gruppe riesiger Delphine, die sich mindestens eine halbe Stunde lang freundlich um unsere Bugs herum tummeln, so als würden auch sie sich über unsere Ankunft freuen. Der Himmel ist grau vom Sandsturm, der Wind kommt Vorhersage gemäß aus West und brist gegen Abend statt auf 30 kn auf 35 kn, in Böen auf 40 kn auf. Schnell bilden sich 3 bis 4 Meter hohe Wellen, die SILVERCURL für zwei, drei Stunden unter auf Bettlakengröße verkleinerter Fock ganz schön in Fahrt bringen. Und obwohl der Wind danach abflaut, pfeift er immer noch mit 25 kn durch das Rigg, es ist kalt und dann wird der Skipper auch noch seekrank. Erst im Laufe der Nacht wird es ruhiger, mit 4 bis 5 Knoten Fahrt nähern wir uns der Küste Israels, um die wir wegen des Sicherheitsabstands zum Gazastreifen einen ziemlichen Bogen fahren müssen.
Dreißig Meilen vor der Küste müssen wir uns über VHF Ch 16/11 bei der Israelischen Navy anmelden. Wer dieses halbstündige Gespräch mit gehört hat, wird sich vor Lachen auf dem Boden herum gekugelt haben. Die Navy arbeitet vermutlich mit so vielen Antennen, dass es zu gegenseitigen Störungen kommt und ich die Dame am anderen Ende überhaupt nicht verstehen kann vor lauter Gerausche. Wirklich bei jeder Frage muss ich mindestens drei Mal nachfragen, aber nachdem ich ihr auch noch unseren vorvorvorletzten Port of Call mit Abfahrtsdatum und - uhrzeit genannt habe, bin ich entlassen. All diese Angaben werden wenige Meilen vor der Küste noch einmal durch ein Patrouillenboot der Navy - im Bug ein Soldat mit auf uns gerichtetem Maschinengewehr im Anschlag - überprüft, dann dürfen wir Kontakt zur Marina aufnehmen.
Noch immer hohe Wellen schieben SILVERCURL dem Kopf des sich hoch auftürmenden Brakewater entgegen. Der Hafenmeister weist uns über Funk auf die starke Strömung in der Einfahrt hin und schon surfen wir auf den letzten beiden Wellen unter den Augen eines besorgten Publikums hinter die schützende Mole der Marina, was von Kamerafrau und Kommentatorin Carola von BLUE PEARL eindrucksvoll dokumentiert wird.
Edit by Robert: Kennwort ist "israel" (ohne Anführungszeichen). Das Video kann auch in Vollbild gesehen werden.



Der nach dem Anlegen durchgeführte Securitycheck an Bord besteht in einer kompletten Durchsuchung des Schiffes - es gibt keinen Schrank und kein Schapp, was nicht geöffnet wird - und einer intensiven Befragung über unsere letzten Aufenthaltsorte, Kontakte zu Personen in den bereisten Ländern und Zeiten, in denen wir das Schiff unbeaufsichtigt zurück gelassen haben. Dann dürfen wir endlich an Land, um die übrigen Formalitäten zu erledigen und unseren endgültigen Liegeplatz einnehmen.
Noch am Abend fahren wir mit einem Mietwagen nach Jerusalem, um unsere Plöner Freunde während ihres Osterurlaubs zum Abendessen zu treffen. Auf der gut einstündigen Fahrt können wir feststellen, dass wir uns Europa nähern. Die Straßen sind breit und sauber und führen durch kultivierte Landschaft an Olivenbäumen und Orangenfeldern entlang. Insgesamt fühlen wir uns erinnert an Südeuropa. Dann steigt die Straße langsam aber stetig an, wir nähern uns Jerusalem, auf einer Höhe von 600 bis 820 Metern ü. d. M. gelegene Hauptstadt Israels mit ca. 700.000 Einwohnern. Über mehrere Hügel erstreckt sich die Stadt und die Einfallstraße bietet eindrucksvolle Ausblicke auf die sich an den Hängen entlang ziehende Bebauung. Wir verbringen ein paar wunderbare unterhaltsame Stunden beim Dinner und erreichen erst nach Mitternacht wieder die Marina in Ashkelon, wo wir todmüde in die Koje fallen.
 
Israel
Tue 4.5.2010 - 21:07 von Gisela*
Die Ersatzteile für die offensichtlich defekte Dichtung am Saildrive werden schon am Tag nach unserer Ankunft von einem offenbar fähigen, wenn auch nicht besonders engagierten Mechaniker bestellt und erreichen schon zwei Tage später die Marina. Welch ein Glück. Der einzige Kranführer tritt nämlich tags darauf seinen ein- bis zweiwöchigen Urlaub an, womit der Travellift sozusagen auch brach liegt. Der Slipway ist schmal, es passen nicht einmal mehr Fender zwischen Rumpf und Wand, und die Einfahrt ist schwierig, weil es gleich nebenan sehr flach wird. Wie gut, dass die BLUE PEARLS uns ein paar Hände leihen und nur Carolas tatkräftigem Einsatz im richtigen Moment ist es zu verdanken, dass wir uns nicht schon wieder eine richtige Macke in den Rumpf fahren. Nach drei Stunden ist es vollbracht. Während SILVERCURL im Kran hängt, wird die defekte Dichtung einschließlich Schaft ausgetauscht und wir schwimmen wieder.
Ashkelon ist eine sehr großzügig angelegte, aufgeräumte Stadt - auf Zuwachs gebaut, wie uns der Marina Manager wissen lässt. Schließlich sollen auch zukünftige Einwanderer noch eine Bleibe finden im Heiligen Land. Hier finde auch ich mich mit Hilfe eines Stadtplans zurecht, sogar die Ampeln sind nummeriert. Was stört, ist die Betriebsamkeit von Flugzeugen und Hubschraubern, die auf dem Weg zum 15 km entfernten Gaza-Streifen unentwegt über uns hinweg fliegen. Gelegentlich wird dort offenbar auch mit scharfer Munition herum geballert. Was für uns schon ziemlich gewöhnungsbedürftig ist, scheint den Alltag der hier lebenden Menschen nicht im geringsten zu stören. In der Innenstadt gibt es neben kleinen Geschäften in arabischem Stil neue Shoppingcenter europäischen Standards, gut ausgestattete Supermärkte und einen herrlichen Obst- und Gemüsemarkt, dessen Angebot an Frische und Qualität nicht zu überbieten ist. Fleisch kaufen wir bei einem russischen Schlachter, der auch Schweinefleisch anbietet. Leider spricht er kein Englisch und meines Frage, ob das angebotene Hack vom Rind ist, beantwortet er lachend mit "muh muh" - geht doch. Der Einkauf im Supermarkt gestaltet sich schon etwas schwieriger. Während die Waren in den arabischen Ländern meistens zweisprachig und -schriftich gekennzeichnet waren, wird hier nur mit hebräischen Schriftzeichen gearbeitet. Ich fühle mich wie ein Analphabet. Man kann nicht einmal Sahne oder Creme fraîche von Joghurt unterscheiden, so dass wir uns immer eine englischsprachige Einkaufshilfe suchen müssen.
Zusammen mit den BLUE PEARLS unternehmen wir ein paar Tagesausflüge ins Landesinnere Israels. Zuerst besuchen wir Jerusalem, diese ungewöhnliche Stadt, die der jüdischen, christlichen und muslimischen Religion gleichermaßen heilig ist. In einem Parkhaus unterhalb des Jaffatores lassen wir unser Auto zurück, dann machen wir uns auf zur Entdeckung der Altstadt, bzw. der nicht enden wollenden Kette von Souvenirläden in wirklich allen Bezirken der Altstadt. Die Via Dolorosa, die Straße der Schmerzen, auf der Jesus sein Kreuz zur Hinrichtung auf den Hügel Golgatha schleppen musste, vermittelt nicht viel vom Leiden Jesu. Eher vom Geschäftsgebaren der Souvenirhändler und vom Gedränge der Touristen. Die vierzehn Stationen seines Leidensweges sind historisch zwar nicht alle sicher belegt, vermitteln aber dennoch einen Eindruck dessen, was zwischen Jesus Verurteilung und Grablegung geschehen ist. Über den Stätten der Kreuzigung, Salbung und Grablegung steht heute die Grabeskirche, deren heilige Stätten, Kirchenschiffe, Kapellen und Treppen sich sechs Religionsgemeinschaften nicht immer ganz friedlich teilen. Allen gemeinsam sind nur der Salbungsstein im Eingangsbereich und das Christusgrab. Gläubige aller Nationen knien vor dem Salbungsstein, küssen ihn und legen Schmuckgegenstände und Kerzen darauf. Vor der Kapelle des Engels, Eingang in das Heilige Grab, drängt sich eine endlose Schlange von Besuchern. Ebenso am Kreuzigungsaltar oberhalb des Golgatha-Felsens, auf dem die Kreuzigung stattgefunden hat, daneben hinter Panzerglas der Felsenspalt, der beim Tod Jesu entstanden sein soll.
Auf dem Weg zur Klagemauer, dem bedeutendsten Heiligtum der Juden, stürzen sich gleich drei orthodoxe Juden auf mich, um meine ganz Familie zu segnen, natürlich gegen eine angemessene Spende. An dem Platz vor der Klagemauer treffen wir auf zahlreiche Kvittelchen-Schreiber, die ihre kleinen Zettel mit Fürbitten zwischen die großen Kalksandsteinquader der Mauer stecken wollen. Das Mittagessen nehmen wir im Garten eines Österreichischen Hospizes ein - dort steht Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat auf der Speisekarte. Die Selfservice-Bestellung wird von einer weiß gekleideten Nonne aufgenommen und ganz charmant per Funkgerät an die Küche weiter gegeben: Two times Käsespätzle, please. Zum Abschluss genießen wir in der Abenddämmerung noch einmal den eindrucksvollen Blick vom Ölberg über die Altstadt mit Felsen- und Kettendom auf dem Tempelberg (siehe Foto) und den davor liegenden Jüdischen Gräbern. Natürlich reicht ein Tag für die Entdeckung Jerusalems bei Weitem nicht aus, es gäbe noch so viel mehr zu sehen. Dennoch nehmen wir einen Eindruck der Heiligen Stadt mit nach Hause. Auch den der wirklich beängstigenden Militärpräsenz. Ganze Heerscharen von teilweise schwer bewaffneten Soldaten bevölkern die Altstadt und machen deutlich, wie groß die sicher berechtigte Angst vor terroristischen Anschlägen ist.
Am nächsten Tag ist Feiertag anlässlich der Staatsgründung und Unabhängigkeit Israels. Wir unternehmen einen Ausflug entlang der Küste nach Norden und besuchen zuerst Akko, die bis ins 19. Jahrhundert bedeutendste Hafenstadt Palästinas und seit 2001 Weltkulturerbe der UNESCO. Pünktlich um 11.00 Uhr werden wir Zeuge einer Schweigeminute zum Andenken an die Staatsgründung, bei der der Verkehr komplett zum Stillstand kommt, Autofahrer ihr Fahrzeug verlassen, um daneben Haltung anzunehmen, Fußgänger auf der Straße innehalten und regungslos und mit geschlossenen Augen ihrem Vaterland die nötige Ehre zukommen lassen, bevor das Leben wieder in normalen Bahnen weiter geht. Dann wenden wir uns der Altstadt mit dem Hafen zu. Die Stadtmauer von Akko ist noch gut erhalten. Zu sehen gibt es den alten Hafen, zahlreiche Kirchen und Moscheen sowie eine unterirdische Kreuzfahrerstadt. Wir besichtigen die heute vier Meter unter Straßenniveau liegenden Räumlichkeiten und Rittersäle, den ursprünglich 350 Meter langen unterirdischen Gang, geheime Verbindung zwischen der nördlich gelegenen Stadtmauer und dem Hafen im Süden und lassen unseren Besuch bei einem Lunch in einer der niedlichen, kleinen Tavernen am Hafen mit Blick auf die Stadtmauer ausklingen.
Haifa erkunden wir nur noch mittels Stadtrundfahrt und stoppen für ein Foto vor den Persischen Gärten, einer herrlichen Parkanlage mit Treppenaufgängen zwischen grünem Rasen und altem Baumbestand, gekrönt vom Bahai-Schrein, dessen goldene Kuppel uns wegen Restaurierungsarbeiten leider verborgen bleibt.
Der letzte Tag unserer Israel-Erkundungen ist mal wieder ein richtiges Highlight. Wir besuchen Massada, die meist besuchte Ausgrabungsstätte Israels, eine riesige, auf einem Bergplateau, 434 m über dem Niveau des Toten Meeres, aber nur 60 M ü.d.M. gelegene von Herodes ausgebaute Festung. Mit Hilfe der tiefst gelegenen Seilbahn der Welt überwindet man die 400 Meter Höhenunterschied zwischen Parkplatz und Plateau, wenn man wie wir zu faul ist zum Laufen. Knapp eintausend Menschen lebten hier als zwei Jahre nach dem Fall Jerusalems die Römer versuchten, die Festung durch Belagerung wieder einzunehmen, was den kollektiven Selbstmord fast aller Bewohner zur Folge hatte. Die Anordnung der Paläste und der übrigen Gebäude ist noch gut zu erkennen, es gab sogar ein riesiges Badehaus und einen großen Swimmingpool. Die Wasserversorgung erfolgte über aufgefangenes und abgeleitetes Regenwasser, das wiederum über ein Pumpensystem nach oben in Zisternen gebracht wurde. Nicht zuletzt faszinieren die sich uns bietenden Ausblicken über die Felsenwüste und das Tote Meer.
Wer kann von sich behaupten, schon mal in einer Tiefe von 420 Metern unter dem Meeresspiegel gebadet zu haben? Hilli & Co. natürlich. Aber wer sonst? - Wir natürlich. Die Fahrt dorthin durch karge Wüstenlandschaft ist schon mal ein Erlebnis für sich. Kurve für Kurve arbeiten wir uns hinunter zum tiefsten Punkt der Erde, dann liegt das Tote Meer wie tot vor uns. Keine Welle deutet darauf hin, dass wir es hier mit Wasser zu tun haben - eher mit Öl. Wir finden eine Badestelle, an der wir unser kleines Picknick nehmen, um uns dann in das außergewöhnliche Nass zu stürzen. Und das ist wirklich ziemlich komisch. Das mit 33 % Salz angereicherte Wasser ist tatsächlich nicht zum Schwimmen geeignet. Wie Korken dümpeln wir an der Wasseroberfläche dahin, eine Schwimmhaltung einzunehmen, ist schlicht unmöglich. Und das Wasser sieht nicht nur aus wie Öl, es fühlt sich auch so an. Wir müssen lange anstehen, um uns an einer der zwei vorhandenen Duschen von dem Salz zu befreien - zu viele Leute vor uns haben sich ganzkörpermäßig mit dem heilenden Schlamm eingeschmiert und mühen sich nun, den Matsch wieder abzuwaschen.
Zwei Tage verbringen wir noch in Ashkelon, dann müssen wir uns wieder von den Blauen Perlen verabschieden und das günstige Wetterfenster für den Weg nach Kreta ausnutzen. Ich verlasse dieses Land mit der beschämenden Erkenntnis über meine unzulänglichen Geschichts- und Religionskenntnisse und dem Wunsch, noch einmal - besser vorbereitet - hierher zurück zu kommen.
 
Kreta - Ost
Tue 11.5.2010 - 10:59 von Gisela*
Am 22. April machen wir uns also auf den Weg nach Kreta. Bei vier Windstärken aus zunächst WSW, später W und NW hat sich eine schöne Welle gebildet, die immer wieder die Fahrt aus dem Schiff nimmt. Und obwohl wir eine Maschine mit laufen lassen, kommen wir auf diese Weise keinesfalls auf Kreta an, wir fahren genau nach Norden und laufen Gefahr, sogar Zypern im Osten zu passieren. Nach eineinhalb Tagen, wir liegen inzwischen nicht weit vor der zyprischen Küste, schläft der Wind ein, langsam glätten sich die Wellen und wir legen den Rest der Strecke unter Maschine mal mit Groß und Fock, mal nur mit Großsegel zurück, um nach vier Tagen die Marina von Agios Nicolaos im Osten Kretas zu erreichen. Wie langweilig. Schon am Abend vor unserer Ankunft können wir am Horizont die hohen Berge Kretas ausmachen, die am nächsten Morgen eindrucksvoll von der Sonne angestrahlt vor uns liegen. Am Abend nach unserer Ankunft setzt starker Wind aus NW bis N ein, der mehrere Tage mit bis zu 7 bf durch die Masten pfeift. Ein Glück, dass wir hier sind.
Zugegeben, der letzte Haarschnitt, den ich dem Skipper verpasst habe, war nicht besonders geglückt. Kein Wunder bei der Wackelsee. Und weil er verpasst hat, die Dienste meiner neuen Lieblingshairstylistin von BLUE PEARL in Anspruch zu nehmen, sucht er in Nicolaos eine junge aufstrebende Friseurin auf. 20 Euro, so viel wie nie zuvor in seinem Leben, muss er dafür abdrücken. Was er wiederum auf den Unmut der Griechen über das Verhalten der Bundesregierung im Zusammenhang mit den für Griechenland geforderten Finanzhilfen zurück führt. Jetzt soll er auch noch dafür bezahlen.
Auf Kreta gibt es ja bekanntlich viel zu entdecken und so mieten wir ein Auto und beginnen unsere Rundreise mit einem Ausflug in den Osten. Die Küstenstraße entlang der Mirabéllobucht mit - wie der Name sagt - herrlichen Ausblicken auf das Meer - führt uns zu den Überresten der vor 3500 Jahren entstandenen minoischen Stadt Goúrnia und anschließend nach Sitia, einer kleinen, an einem Hügel gelegenen Stadt an der gleichnamigen Bucht mit einem netten Hafen und hübscher Promenade mit unzähligen Cafés. Für die Chandrás Hochebene sind wir eigentlich zu früh. Das Zentrum des kretischen Sultaninenanbaus ist erst im September so richtig interessant, wenn auf den Feldern und Straßen Weintrauben zum Trocknen ausliegen. Auf diese Weise werden hier in guten Jahren etwa 600 Tonnen Sultanine produziert. Dennoch ist die Fahrt durch die Berge wunderschön. An den Straßenrändern blüht gelber Ginster und Oleander in allen erdenklichen Farben und die Ausblicke auf die von Olivenbäumen bewachsenen Berge, an die Hänge gebauten Dörfer und das blaue Meer sind zauberhaft. Alle paar Meter passieren wir kleine Miniaturkirchen, die Gläubige zur Andacht und zum Gebet aufrufen (siehe Foto).
Dann geht es wieder hinab zur Küste ans Libysche Meer und weiter über Análipsis nach Ierápetra, die größte Stadt an der Südküste Kretas. Die Ebene, die die Stadt umgibt, ist geprägt von Landwirtschaft, die mit ihren mit Plastikplanen abgedeckten Gewächshäusern für Gurken und Tomaten die Landschaft verschandelt. Die Altstadt mit ihren engen Gassen ist hübsch und der kleine Hafen wird dominiert von einem venezianischen Fort aus dem 17. Jahrhundert. Die Rückfahrt nach Agios Nicolaos führt uns durch Ausläufer des Lassithi-Gebirges, vorbei an Kretas größtem Stausee zur Bewässerung der Gewächshäuser. Über eine schmale Bergstraße gelangen wir zu dem auf 450 Metern Höhe liegenden Bergdorf Kalamáfka inmitten bizarrer Felsformationen. Hier klettern wir über 225 Stufen hinauf zu der in einer Höhle gelegenen Felsenkapelle Timíu Stavroú.
Am nächsten Tag steht Iráklion auf dem Programm. Auch hier arbeiten wir einen Teil der Sehenswürdigkeiten ab. Von der venezianische Kúles Hafenfestung aus dem 16. Jahrhundert hat man eine herrliche Aussicht über den lebhaften Hafen und die Arsenale, Reste von venezianischen Werften zum Überwintern der Schiffe. Wir spazieren durch die Altstadt, vorbei an der Ágios-Tìtos-Kirche, einer zur Kirche umgebauten Moschee, bis zum Morosini Brunnen, dem Wahrzeichen Iráklions, und machen uns dann auf den weg nach Knossos. Leider sind die Tore bei unserer Ankunft um 15.00 Uhr schon verschlossen, wie wir verblüfft zur Kenntnis nehmen müssen. Hätten wohl besser vorher einen Blick in unseren Reiseführer werfen sollen. Aber wer kann schon ahnen, dass eine solche Touristenattraktion nicht länger geöffnet ist? Kommt eben Plan B zum Einsatz. Wir entscheiden uns, über die fruchtbare Lassíthi-Hochebene im Díkti-Gebirge zurück zu fahren. Wieder geht es über eine herrliche Straßenführung bis auf eine Höhe von 800 Metern aufwärts, dann liegt die 10 km lange und 5 km breite Ebene vor uns. Das dicht unter der Oberfläche stehende Grundwasser wurde bis in die 70er Jahre mit Windrädern auf die Felder gepumpt, heute erledigen Motorpumpen diese Aufgabe. Wir umrunden das Plateau und kommen durch zahlreiche hübsche Dörfer, in denen die Bewohner in Grüppchen plaudernd vor ihren Häusern sitzen, die alten Frauen in dunkle Kleidung und Kopftücher gehüllt. Bei einer Kaffeepause in einer der netten kleinen Tavernen präsentiert uns der Wirt ein kleines Album mit Fotos der Region. Überrascht stellen wir fest, dass es hier im Winter regelmäßig schneit. Einige Fotos zeigen riesige Schneeberge rund um die Taverne und der Wirt erzählt uns, dass die umliegenden, 2000 Meter hohen Berge um diese Zeit normalerweise noch von Schnee bedeckt sind. Über eine kurvenreiche Strecke geht es wieder zurück ins Tal, wieder mit unglaublichen Ausblicken auf Felsen, Schluchten und das blaue Meer.
Samstag, den 1. Mai starten wir erneut einen Versuch, den minoischen Palast von Knossos anzusehen, diesmal gleich morgens früh. Vor dem Tor warten zahlreiche Touris auf Einlass, dahinter tummelt sich eine deutsche Reisegruppe, offenbar schon fertig mit der Besichtigung der Anlage. Aber uns will man nicht einlassen - man würde streiken, verkündet ein Aufpasser am Gate dem verblüfften Publikum, während das daneben hängende Schild "täglich geöffnet" anzeigt. Wir arbeiten uns vor zum Manager, der uns erklärt, es würde nicht gestreikt, es wäre wegen des Feiertags geschlossen. Nur komisch, dass es von Mitarbeitern nur so wimmelt. Wir glauben ihm kein Wort, aber auch der den Deutschen im allgemeinen eigene, wortgewaltige Ausdruck unseres Unmuts über dieses Verhalten beeindruckt ihn nicht. Verärgert und betrübt verlassen wir den historischen Ort. Kein Wunder, wenn dieses Land pleite ist. Dabei ist der Löwenanteil der Kosten für archäologische Ausgrabungen und Restaurierungen sowieso schon von der EU finanziert. Überall weisen große Schilder auf den 75 %igen Zuschuss aus der EU-Kasse hin.
Unser Ausweichprogramm heißt Kritsa, ein Bergdorf in der Nähe von Ágios Nicóalos, dass sich vor allem durch die Aneinanderreihung von Cafés, Tavernen und Souvenirläden auszeichnet. Angeboten werden kunsthandwerkliche Gegenstände, Schmuck und besonders Tischdecken, die nicht alle zu Recht den Anspruch erheben, handgearbeitet zu sein. Die einzige wirkliche Sehenswürdigkeit, die Kirche Panagía i Kerá mit byzantinischen Wandmalereien aus dem 15. bis 17. Jh. sehen wir auch nur von außen. weil schon geschlossen. Dafür kommen wir beim Besuch des nördlich von Krítsa gelegenen Lató voll auf unsere Kosten. Hier sind die eindrucksvollen Reste einer dorischen Stadt aus dem 7. bis 4. Jh. v. Chr. zu bewundern. Neben den Ruinen von Wohnhäusern und der Stadtmauer sind die Grundmauern eines Theaters, eines Tempels und einer Säulenhalle gut zu erkennen. Und auch hier werden wir wieder belohnt mit einem fantastischen Ausblick.
Zum Abschluss unseres Aufenthaltes in Ágio Nicólaos fahren wir nach Plaka, um uns von dort auf die Insel Kalidón, Nachbarinsel von Spinalonga im Nordwesten der Bucht von Mirabéllo, bringen zu lassen. Innerhalb der auf Kalidón befindlichen, gut erhaltenen venezianischen Burg lebten bis 1957 in völliger Isolation alle kretischen Leprakranken, nachdem man sie dorthin verbannt hatte. Wir umwandern die Festung auf dem einen Kilometer langen Weg, bevor uns das kleine Ausflugsboot wieder zurück bringt nach Plaka.
Dann ist es an der Zeit unsere Zelte in Ágio Nicólaos abzubrechen und weiter zu ziehen nach Réthimno, um von dort den Westteil der Insel zu entdecken.
 
Kreta - West
Tue 18.5.2010 - 17:51 von Gisela*
76 nm haben wir zurück zu legen bis Rethimno, eine Strecke, die ohne Wind nicht an einem Tag zu schaffen ist. Wir unterbrechen unsere Fahrt nach knapp 60 nm in Balion, wo wir in einem niedlichen kleinen Hafen, in dem nur ein paar Fischer- und Ausflugsboote liegen, vor Buganker und Heckleinen zum Land auf dem letzten freien Platz fest kommen. Am nächsten Tag erreichen wir schon mittags Rethimno und können gleich nach dem Einklarieren die - wer hätte es gedacht - mächtige Venezianische Festung Fortézza aus demm 16. Jh. am Ende der Halbinsel in Augenschein nehmen. Durch die engen Gassen der Altstadt und den kleinen venezianischen Hafen bummeln wir zurück zur Marina. Wie in einem richtigen Ferienort reiht sich ein Souvenirladen an den anderen, ebenso die Restaurants mit ihren um Gäste buhlenden Türstehern. Aber es gibt auch sehr schöne Geschäfte in Rethimno, in den nicht nur der übliche Ramsch, made in China, angeboten wird.
Unsere Tour am nächsten Tag beginnt mit dem Besuch des Klosters Arkádi, das auf einem 500 Meter hohen Bergplateau gelegene Nationalheiligtum, das während der Rebellion gegen die osmanische Herrschaft zu trauriger Berühmtheit gelangte. Im Jahr 1866 ließen sich hier Frauen und Kinder im Pulvermagazin in die Luft sprengen, um den türkischen Belagerern zu entgehen. Heute ist das Kloster ein wunderschöner Platz, der in seinem Frieden zum Verweilen einlädt. Die Anlage strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. In der Mitte die hübsche Kirche (siehe Foto), umgeben von einem herrlichen Blumengarten, umgeben von den Räumen der Mönche und einer Galerie, die immer wieder neue Einblicke in das Gesamtensemble gewährt.
Weniger beeindruckend für uns Nichtarchäologen ist die Antike Stadt Eléftherna, an der die Ausgrabungen noch nicht so weit fortgeschritten sind. Wir finden nur Reste einer Stadtmauer und mit viel Fantasie Ruinen von Zisternen, die vor 2300 Jahren in den Felsen geschlagen worden sind. Die am Weg liegenden Töpfereien und Keramikwerkstätten sowie die Olivenölfabriken lassen wir aus und wenden uns dem Besuch der Melidóni-Höhle zu. Auch diese Tropfsteinhöhle erinnert an den griechischen Aufstand gegen die Türkenherrschaft. In ihr hatten sich 1824 etwa 340 griechische Frauen und Kinder sowie 30 kretische Widerstandskämpfer vor den Türken versteckt. Sie starben an Rauchvergiftung durch ein von den Türken entfachtes Feuer am Eingang zur Höhle.
In Chaniá beginnt unsere Rundreise durch den äußersten Westen Kretas. Eines der wenigen Highlights am Weg, die Iríni-Schlucht, verpassen wir und der Skipper ist durch Nichts auf der Welt dazu zu bewegen, zurück zu fahren. Bleibt nur, sich an der schöne Landschaft und den riesigen Orangenplantagen am Straßenrand zu erfreuen. Nach einem Bad am südseehaften Strand von Elafonísi im Südwesten der Insel ist uns gerade nicht und wir entscheiden uns für die Rückfahrt nach Chaniá, wo wir die Altstadt mit dem kleinen Hafen und der Stadtmauer mit Festung besichtigen.
Unser letzter Ausflug auf Kreta entpuppt sich als absoluter "Lattenkracher". Schluchtentechnisch kommen wir hier noch einmal voll auf unsere Kosten. Auf dem Weg von Rethimno direkt nach Süden gelangen wir durch das Kotsifoú-Canyon nach Plakiás Beach, einem niedlichen kleinen Fischerdorf. Über steile, enge Serpentinen lenkt der Skipper das Auto bergauf und bergab, immer wieder eröffnen sich neue atemberaubende Ausblicke auf die steilen Felsen, engen Pässe und tiefen Schluchten. Nach unseren Segelhandbüchern gibt es an der Südküste Kretas nur wenige sichere Häfen, besonders für Sportboote. Wofür auch? Für Charteryachten total abseits der üblichen Routen, legen hier höchstens Yachten, die das Mittelmeer von West nach Ost oder umgekehrt besegeln, mal an. Trotzdem treffen wir hier auf eine meganeue, vorbildlich ausgestattete Marina. Das Gelände oberhalb des Hafens mit riesigen Betonmauern abgefangen, die Anlage mit allem ausgestattet, was das Seglerherz begehrt: eine hohe sichere Außenmole, bombastische Poller zum Festmachen und Wasser- und Stromanschlüsse in Hülle und Fülle. Am Besten ist die Beleuchtung - zweiarmige Kandelaber mit hübschen Verzierungen. Das Ganze wieder finanziert mit Mitteln aus der EU-Kasse, zumindest zu 75 %. Sozialhilfeempfänger en gros.
Nachdem ich mich so doll wie möglich über diese Steuermittelverschwendung aufgeregt habe, fahren wir weiter nach Préveli, einem hoch über der Küste gelegenen Ort, dessen Mönchskloster Píso Préveli wir einen kurzen Besuch abstatten. Wieder treffen wir auf einen dieser beschaulichen Plätze, die so friedlich in die anmutende Landschaft gebettet sind. 1941 haben die Mönche hier eine Gruppe von britischen, neuseeländischen und australischen Soldaten versteckt bis sie mit Hilfe von U-Booten gerettet werden konnten. Entlang der Kouraliótiko-Schlucht und dem kleinen Ort Spili mit seinen zahlreichen Löwenkopfbrunnen beenden wir die Exkursion.
Insgesamt haben wir uns auf Kreta sehr, sehr wohl gefühlt. Die Insel hat so viel zu bieten, dass man sich mühelos zwei Wochen dort aufhalten kann. Aber auch hier geht unsere Zeit zu Ende - schließlich haben wir unser Ziel noch nicht erreicht und so machen wir uns startklar für die nächste Etappe entlang der Westküste Peloponnes Richtung St. Maria de Leucca.
 
Das Finale
Sat 22.5.2010 - 12:49 von Gisela*
Wir verlassen Rethimno am 12. Mai morgens um 7.30 Uhr und machen uns auf den Weg nach Pylos an der Westküste Peloponnes. Für die Strecke von mehr als 170 nm müssen wir wieder durch die Nacht segeln - so wir denn segeln können. Laut Windvorhersage sollen wir erst am Abend um die 15 Knoten aus SE bekommen, so dass wir auch erstmal mit Maschine fahren. Gegen Abend beobachten wir eine milchig weiße Wand, die vor blauem Himmel auf uns zukommt - dicker Seenebel, der uns von jetzt auf gleich komplett die Sicht nimmt und die Temperatur schlagartig um 10° C abstürzen lässt. Nur auf dem Radar können wir den umliegenden Schiffsverkehr beobachten. Nach einer Stunde ist der Spuk erstmal vorüber und hinterlässt auf dem Deck soviel Wasser wie nach einem Regenschauer.
Eine gute Stunde später, inzwischen ist es dunkel, das gleiche Spielchen noch einmal, diesmal mit noch dickerem Nebel, mehr Nässe und vor allem länger anhaltend. Bis zum frühen Morgen tasten wir uns durch dieses Meer von Watte, die um uns herum fahrenden Schiffe auf dem Radarschirm immer scharf im Blick und die Nebelhörner im Ohr. Mondlose Nächte sind ja schon blöd, Seenebel noch blöder, aber beides zusammen ist schlicht unerträglich. Dann kommt endlich Wind auf, sogar von achtern, und der Nebel löst sich in nichts auf. Ich kann die Maschine ausschalten und SILVERCURL gleitet wieder wie ein richtiges Segelschiff durchs Wasser. Später brist der Wind auf 5 Bf auf, vor allem vor der Küste Peloponnes stürzen mächtige Fallböen von den Bergen aufs Meer, dann haben wir es geschafft - um 13.30 Uhr fällt vor dem Hafen von Pylos der Anker.
Weitere 68 nm legen wir am folgenden Tag zurück und erreichen am Abend gegen 20.00 Uhr den Hafen von Zakynthos auf der gleichnamigen Insel, Absprunghafen für unsere letzte Tour vor Vollendung der Weltumsegelung - nach Sta. Maria de Leuca. Wir bleiben zwei Tage länger als geplant - unser Freund Manni hat sich kurzfristig zum Mitsegeln angemeldet. Tatsächlich sind die Windverhältnisse in diesen Tagen auch nicht dazu angetan, Kurs auf Sta. Maria de Leuca abzusetzen, bis zu 7 Bf aus NW blasen über den Hafen. Erst am Mittwoch, den 19. Mai, SILVERCURL'S Geburtstag, gibt es Hoffnung auf das nötige Wetterfenster und wir wagen den Aufbruch zum Ziel. Zuerst fahren wir im Schutz der Insel mit Motor und Segelunterstützung, dann dreht der Wind weiter auf W und in der Nacht auf SW bis S. Leider ist er zu schwach, um nur zu Segeln, aber immerhin, die Wellen beruhigen sich, gegen Morgen ziehen dicke, schwarze Wolken auf und die ersten Blitze zucken am Himmel. Unser Anleger um 10.35 Uhr findet in wolkenbruchartigem Gewitterregen statt - ein Wetter, bei dem mit der Hilfe italienischer Marineros nicht zu rechnen ist. Was für ein Empfang?!

DANN IST ES VOLLBRACHT.
WIR SIND WELTUMSEGLER.

Hier, in Sta. Maria de Leuca schließt sich der Kreis, nach fast 5 Jahren und 36.000 Meilen Seefahrt um die Welt. Hier sind wir gemeinsam gestartet, und nachdem dem Skipper auch die weiträumige Umfahrung aller Norfolks dieser Welt gelungen ist, kommen wir hier auch wieder gemeinsam an. Wir sind dankbar und glücklich, ohne bedeutende Stürme und größere Schäden gesund an unseren Ausgangspunkt zurück zu kommen. Das geplante Foto mit einer über Top beflaggten SILVERCURL gelingt leider nicht. Am ersten Tag gießt es in Strömen und am Tag nach unserer Ankunft macht uns der Wind einen Strich durch die Rechnung. Die aneinander gereihten Flaggen der bereisten Länder halten dem Druck des Windes nicht stand, der Skipper verliert die Geduld und wir müssen die Aktion abbrechen.
Wir danken allen, die uns auf dieser langen Reise begleitet haben - durch Besuche selbst am anderen Ende der Welt oder virtuell auf unserer Homepage. So haben wir uns nie wirklich allein gefühlt. Besonderer Dank gilt unserer Familie, besonders unseren Söhnen Robert und Willem die während unserer Abwesenheit zu Hause "die Stellung gehalten" haben und vieles für uns erledigt haben, was aus der Ferne eben nicht zu machen war. Wir haben viele liebe Menschen auf unserem Weg getroffen, Mitsegler und Bewohner der zahlreichen Orte, die wir besucht haben. Wir hoffen, dass die neuen Freundschaften angesichts des gemeinsam Erlebten lebendig bleiben und die Kontakte auch in Zukunft nicht abreißen. Und wir wünschen allen Seglern, die ihr Ziel noch nicht erreicht haben, ruhiges Wasser und guten Wind!
Mit niemand anderem als meinem Skipper hätte ich mich auf eine Weltumsegelung eingelassen, nur zu ihm habe ich das nötige grenzenlose Vertrauen für ein solches Unternehmen. Und so danke ich schließlich auch ihm dafür, dass er die SILVERCURL und mich mit so viel Umsicht sicher und heil in so zahlreiche Häfen und Ankerbuchten und schließlich ans Ziel gebracht hat. Und nicht zuletzt danke ich allen, die meine sicher nicht immer spannenden Berichte über sich ergehen lassen und mich durch ihr Feedback immer wieder zum Weiterreisen und -schreiben ermutigt haben.
 
Das letzte Ende
Thu 17.6.2010 - 21:43 von Gisela*
Der Champagner in Sta. Maria de Leucca ist schnell geleert. Es kehrt wieder Alltag ein auf SILVERCURL. Das Wetter besinnt sich, die Wolken verziehen sich und machen der Sonne vor einem blitzblauen Himmel Platz. Nur die Temperaturen sind noch nicht so, wie man sich das von Süden Italiens im Mai vorstellt. Der Wind kommt von Norden und wir entschließen uns zu einem Tagesausflug nach Lecce mit seiner zauberhaften Altstadt. Dann geht es weiter nach Otranto, beeindruckend wegen der unglaublich mächtigen Stadtmauer mit Kastell. Der Hafen ist so groß, dass wir mühelos im Hafenbecken ankern können. Und hier muss uns Manni am Pfingstmontag auch schon wieder verlassen.
Wir verholen uns währenddessen nach Brindisi, um dort auf Robert und Jana zu warten. An dem Steg gegenüber der Innenstadt dürfen wir dieses Mal nicht liegen bleiben, man schickt uns hinaus in die neue Marina. Gebaut mit EU-Mitteln weit außerhalb der Stadt dämmern die Stege nicht zur Hälfte belegt vor sich hin. Unzählige Duschen und Toiletten, riesige Gebäude für Bars, Restaurants und Boutiquen stehen ungenutzt in der Gegend herum und verfallen, bevor sie in Gebrauch genommen worden sind. Mit dem Mietwagen holen wir die Kids vom Flughafen in Bari ab und kommen auf Wunsch einer einzelnen Dame jetzt schon zum zweitem Mal innerhalb weniger Tage in den Genuss eines kuliarischen Highlights in Form von Spargel mit Schinken.
Auch an den Liegegebühren merken wir, dass wir wieder im Mittelmeer sind. In dem kleinen Hafen von Villanova zahlen wir für eine Nacht am Steg 50 Euro - ohne Toiletten und Duschen. Allerdings finden wir hier nach längerem Suchen und mehrfachem Nachfragen unser Restaurant wieder, in dem wir vor fünf Jahren so wunderbare "Antipasti de la Casa" gegessen haben. Nach einem weiteren Zwischenstopp in Monopoli gelangen wir schließlich in den riesigen Fährhafen von Bari. Selbst in unserem neuen Hafenführer Mittelmeer stimmt der Hafenplan nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten überein. Dort, wo eigentlich der Platz für Segler vorgesehen ist, befindet sich jetzt ein riesiger Fährterminal.
Trotzdem machen wir dort fest, schon darauf vorbereitet, dass es nicht einfach sein wird, den Sicherheitsbereich des Terminals zu verlassen. Den diensthabenden Polizisten versetzen wir mit unserem Erscheinen an der Wasserseite der Empfangshalle in ziemliche Aufregung und nach einem längeren Telefonat werden wir angewiesen, unseren Liegeplatz unverzüglich zu räumen. Der Hafenmeister wird aus seiner sonntäglichen Ruhe gerissen, gibt uns die Telefonnummern zweier Marinas und entschwindet ebenso schnell wie er gekommen ist. Das Ende der Geschichte ist, dass wir weder unter den Telefonnummern, noch über Funk bei der Hafenverwaltung Antwort erhalten. Wir ankern in einem anderen Hafenbecken nahe der Innenstadt, von wo wir allerdings am nächsten Morgen von der Hafenpolizei vertrieben werden und schließlich in einer der am Vortag empfohlenen Marinas (CUS) unter kommen.
Schon am Dienstag fliegen die Kids wieder ab und wir machen uns auf den Weg nach Norden. Unser Ziel ist Vieste an der Ostküste des Stiefelsporns von Italien. Unsere zweitägige Erkundungstour mit dem Auto entlang der Küste bis Ravenna bringt uns zu der Erkenntnis, dass wir in Italien keine Alternative finden zur Unterbringung von SILVERCURL. Die Preise für Slippen und Hardstand sind erheblich höher als in Kroatien. Und so entschließen wir uns nach unserer Rückkehr zu einer letzten Nachtfahrt (der Dreiundvierzigsten) in diesem Jahr und fahren nach Cres. Die Nacht ist fast mondlos, aber sternenklar - jetzt kommt auf dem letzten Stück auch bei mir noch ein wenig Wehmut auf - die Erfüllung eines Traums geht endgültig zu Ende. In Cres können wir SILVERCURL bis zum nächsten Frühjahr an Land stehen lassen und bis dahin unsere To-Do-Liste abarbeiten.
Wenige Stunden nach uns läuft die AQUILA ein, mit der wir am selben Tag zusammen von Langkawi aus gestartet sind und nun nicht nur am selben Tag ankommen, sondern auch noch nebeneinander auf der Werft liegen. Mit Wilma und Gerhard verbringen wir unsere letzten Abende, nachdem wir SILVERCURL tagsüber auf ihre lange Pause vorbereitet haben. Dann geht es am 15. Juni ab nach Hause und wir gewöhnen uns mehr (ich) oder weniger (der Skipper) gut wieder ein.

Erreichen kann man uns wieder über unsere deutschen Handy-Nummern - Gerhard 0172 4621 813 - Gisela 01577 473 4462 - und über die bekannten Email-Adressen. Wir freuen uns auf Euch!!